Wien – Der "Hype" rund um den angeblichen "Jungbrunnen" der Hormonersatztherapie (MHT) nach der Menopause ist nach kritischen wissenschaftlichen Studien vor einigen Jahren abgeflaut. Für einen restriktiven Einsatz der Präparate gibt es jetzt ein Statement zweier österreichischer ärztlichen Fachgesellschaften. Sie wurden am Donnerstag bei einer Pressekonferenz präsentiert.

Mehr als zehn Jahre lang war die Hormonsubstitution nach der Menopause vor allem von Gynäkologen mit immer neuen positiven Verheißungen angepriesen worden. Klinische Studien bremsten allerdings diese Euphorie. Es zeigte sich nämlich ein deutlich erhöhtes Risiko für Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

"In den letzten Jahren wurde eine Reihe weiterer Studien durchgeführt, die diese Ergebnisse jedoch relativieren", hieß es bei der Pressekonferenz. Ein Bericht der Österreichischen Menopausegesellschaft und der Österreichischen Gesellschaft für Sterilität, Fertilität und Endokrinologie soll den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammenfassen. Speziell Vertreter der Menopausegesellschaft haben allerdings über Jahre hinweg die Hormonsubstitution für Frauen im Wechsel propagiert.

So wenig wie möglich

"Die MHT stellt nach wie vor die wirksamste Methode zur Behandlung klimakterischer Beschwerden dar", sagte Hans Christian Egarter von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Wien. "Sie muss dabei an die individuelle Situation der Patientin angepasst werden. Konkret bedeutet das: Sie sollte, solange die Beschwerden andauern, mit der individuell niedrigstmöglichen effektiven Hormon-Dosis durchgeführt werden." Der Anwendung der MHT müsse dabei die Erstellung eines individuellen Risikoprofils mit klarer Indikationsstellung vorangehen. Ferner sollten Lebensstilanpassungen (Nikotinabsenz, Gewichtsregulation, Bewegung etc.) und regelmäßige fachärztliche Kontrollen die MHT begleiten.

Egarter fasste zusammen: "Wir können heute sagen, dass bei strenger Indikationsstellung (strikte Anwendung nur im wirklichen Bedarfsfall; Anm.) und der Berücksichtigung individueller Faktoren der Nutzen der differenzierten MHT die Risiken bei Frauen, die unter Wechselbeschwerden leiden, überwiegt. Und zwar dann, wenn die MHT vor dem 60. Lebensjahr bzw. innerhalb von zehn Jahren nach dem Eintreten in die Menopause zum Einsatz kommt." Nicht wegzuleugnen sei ein eventuell erhöhtes Brustkrebsrisiko bei kombinierter Hormonersatztherapie (Östrogene/Gestagene).

Erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs

Die Diskussionen rund um die Hormonersatztherapie werden voraussichtlich noch länger dauern. Vor etwa einem Jahr erschien in der britischen Fachzeitschrift "The Lancet" eine große Metaanalyse des britischen Epidemiologie-Pioniers Sir Richard Peto. "Bei Frauen, die ab dem Alter von 50 Jahren fünf Jahre lang eine Hormonersatztherapie einnehmen, gibt es pro 1.000 Personen eine zusätzliche Ovarialkarzinom-Erkrankung mehr. Ebenso gibt es einen Ovarialkarzinom-Todesfall mehr pro 1.700 Benutzerinnen der Hormonersatztherapie", stellte der Experte fest.

Die Wissenschafter hatten 52 bereits vorhandene wissenschaftliche Untersuchungen mit 21.488 Ovarialkarzinom-Patientinnen einer neuerlichen Analyse unterzogen. Dabei zeigte sich eine Korrelation zwischen Hormonsubstitution und dem Auftreten der häufigsten Formen dieser Krebserkrankung: Auch wenn Frauen den Hormonersatz nur wenige Jahre verwendeten, um ihre Wechselbeschwerden zu unterdrücken, zeigte sich ein um 40 Prozent erhöhtes Risiko für Ovarialkarzinome.

Den Effekt gab es sowohl bei der Benutzung einer Hormonsubstitution allein mit Östrogen als auch bei der Verwendung von Östrogen-Gestagen-Kombinationen. Ovarialkarzinom-Erkrankungen sind oft schlecht behandelbar, da sie häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt werden. (APA, 28.4.2016)