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Der Syrien-Sonderbeauftragte der Uno, Staffan de Mistura, in Genf: Die Waffenruhe in Syrien müsse "dringend wiederbelebt" werden, sagte er bei einer Pressekonferenz. Die Syrien-Gespräche sollen weitergehen, angesichts der Aleppo-Offensive des syrischen Regimes wird das immer schwieriger.

Foto: Reuters / Denis Balibouse

Damaskus/Genf/Wien – Die diplomatische Schiene in Genf aufrechterhalten, während in Syrien die Waffenruhe endgültig zusammenzubrechen droht: "Wie kann man substanzielle Gespräche führen, wenn es stets neue Nachrichten über Bombardierungen und Granatenbeschuss gibt?", fragte der Syrien-Beauftragte der Uno, Staffan de Mistura, am Mittwoch in Genf und forderte die USA und Russland auf, an einer Wiederbelebung der Feuerpause zu arbeiten. Trotz allem hält er erst einmal an der Fortsetzung der Syrien-Gespräche am 10. Mai fest – ob überhaupt Oppositionsvertreter nach Genf kommen, bleibt zu sehen.

Das Töten und Sterben in Syrien ging auch am Donnerstag weiter. Laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden in Aleppo bei Angriffen, die ein Krankenhaus und einen Wohnkomplex im Viertel Sukkari trafen, mindestens dreißig Menschen getötet. Unter den Toten waren Kinder, Ärzte und anderes medizinisches Personal. Bei anderen Angriffen kamen weitere Dutzende Menschen um. Die Kämpfe gefährden laut Uno die Versorgung von Millionen.

Damaskus sieht offene Aggression der USA

Das syrische Regime dementierte am Donnerstag, das Krankenhaus in Aleppo bombardiert zu haben. Nachrichten, dass 150 US-Soldaten im Nordosten Syriens angekommen seien, bezeichnete Damaskus als "offene Aggression". US-Präsident Barack Obama hatte zu Wochenbeginn angekündigt, die Präsenz der US-Sonderkommandos, die den Rebelleneinsatz gegen den "Islamischen Staat" unterstützen, um 250 Mann aufzustocken.

Die seit Ende Februar geltende "Einstellung der Feindseligkeiten" – viel weniger als ein Waffenstillstand – wird durch die nach wie vor ungelöste Frage gefährdet, für wen sie eigentlich gilt. Durch die Aleppo-Offensive des Regimes und seiner Unterstützer (Russen, Iraner, libanesische Hisbollah) ist dieser Zustand immer weniger haltbar. Die bei den Wiener Syrien-Gesprächen im Herbst geborene Idee war ja gewesen, die Rebellenszene in Syrien sauber in "Terroristen" und "Opposition" zu trennen. Das ist nicht gelungen, weil punktuell – und besonders in Aleppo – Rebellengruppen mit der von der Waffenruhe ausgeschlossenen Nusra-Front, die zu Al-Kaida gehört, kooperieren. Je nach Auge des Betrachters gehören diese dann selbst zu den Terroristen oder nicht.

Ein selbstsicheres Regime

Russland verlangte in New York erneut, die beiden Gruppen Jeish al-Islam und Ahrar al-Sham auf die Terrorliste zu setzen. Aber einer der Führer des Jeish al-Islam, Mohammed Alloush, Bruder des getöteten Rebellenführers Zahran Alloush, ist der Chefverhandler des HNC (High Negotiation Committee) in Genf. Allerdings hat das HNC seine Teilnahme momentan zumindest formal sistiert.

Angesichts der Aleppo-Offensive und der Selbstsicherheit, die das Regime demonstrierte, als es am 13. April in den von ihm kontrollierten Teilen Syriens Parlamentswahlen abhielt, sind die Rebellen unter Druck, wenigstens in Genf Erfolge zu erzielen. Aber auch das ist ihnen nicht vergönnt.

Algerien bricht das Eis

Unterstützung für Bashar al-Assad kommt nun auch aus einer anderen Ecke: Algerien, das sich schon bisher zum Thema Syrien in der Arabischen Liga eher neutral verhielt, hat seinen Minister für Arabische Angelegenheiten, Abdelkader Messahel, nach Damaskus geschickt. Angeblich versucht Algerien, zwischen der Türkei und Assad zu vermitteln.

Dazu gehört, dass sich die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien, dem Führer der Anti-Syrien-Front, und Algerien in den vergangenen Monaten akut verschlechtert haben. Algier hat sich nicht der großen saudisch-sunnitischen Antiterrorallianz angeschlossen und auch die von Riad betriebene Verurteilung der schiitischen libanesischen Hisbollah als Terrororganisation in der Arabischen Liga nicht mitgetragen.

Vorige Woche war König Mohammed VI. von Marokko Gast beim Gipfel des Golfkooperationsrates (GCC) in Riad und erhielt dort die volle Unterstützung des GCC für die marokkanische Souveränität über die Westsahara. In dem mittlerweile mehr als vier Jahrzehnte alten Konflikt stand Algerien hingegen stets auf der Seite der Sahrauis. Zwar ist die Nähe zwischen den GCC-Monarchien und Marokko nichts Neues. Aber Algerien, dessen Diplomatie durch die Hinfälligkeit von Präsident Abdelaziz Bouteflika zuletzt eher passiv war, sieht nun wohl den Zeitpunkt gekommen, seinen Standpunkt im Syrien-Konflikt offensiv auszuspielen. (Gudrun Harrer, 28.4.2016)