Halbvolles oder halbleeres Glas (je nach Betrachtungsweise) für VW-Chef Matthias Müller. Bei der Bilanzpressekonferenz entschuldigte er sich, verwies aber auch auf die Stärke von Volkswagen.

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Berlin/Wolfsburg – Augen zu und durch. Das dürfte bei der Bilanz- und Analystenkonferenz am Donnerstag in Wolfsburg das Motto von VW-Chef Matthias Müller gewesen sein. "Wir wissen, dass Sie heute mit vielen Fragen gekommen sind", sagte er gleich zu Beginn an die vielen Journalisten gerichtet. Und er streut gleich einmal Asche auf sein ohnehin weißes Haupthaar.

"Es schmerzt uns, es tut uns aufrichtig leid. Wir wissen, dass wir viele Menschen enttäuscht haben, die auf Volkswagen vertraut haben. Wir arbeiten mit ganzer Kraft daran, das Vertrauen wieder zu stärken", betont er mit Blick auf den Abgasskandal. Bei US-Präsident Barack Obama hat er sich übrigens auch entschuldigt. Zwei Minuten hatte Müller dafür, als Obama vor einigen Tagen auf der Hannover-Messe war.

Hartes Jahr 2016

Natürlich muss Müller auch die ohnehin schon bekannten schlechten finanziellen Nachrichten noch einmal darlegen: Wegen der "Dieselthematik", wie man den Skandal in Wolfsburg nennt, hat VW die Rekordsumme von 16,2 Milliarden Euro zurücklegen müssen und ist tief in die roten Zahlen geraten. Der Rekordverlust 2015 beträgt 1,6 Milliarden Euro, nach dem deutschen Handelsgesetzbuch-Bilanzstandard sogar 5,5 Milliarden Euro.

Müller räumt ein, dass die Krise noch lange nicht bewältigt sei: "Die Situation verlangt uns alles ab, auch finanziell." Er rechnet damit, dass auch 2016 noch ein schwieriges Jahr wird, zumal die Konkurrenz die Lage von VW wohl ausnutzen werde.

Doch vornehmlich schaut Müller natürlich nach vorn und versucht Zuversicht zu verbreiten: "Volkswagen ist viel mehr als Krise." Der Konzern mit seinen zwölf Marken ruhe auf "mehreren tragfähigen Säulen". Einen Verkauf einzelner Marken schließt er aus, das gelte auch für die Truck-Holding von MAN und Scania, über die es zuletzt Verkaufsgerüchte gegeben hat. "Wir befassen uns mit dieser Frage gegenwärtig nicht", sagt er.

Neues Markenzeichen

Volkswagen will nun verstärkt auf Elektroautos setzen – für deren Erwerb hat die deutsche Regierung ja gerade einen Kaufzuschuss von 4.000 Euro beschlossen. Zurzeit, so Müller, habe der Konzern neun reine Elektroautos und Plug-in-Hybride im Programm. Bis 2020 sollen mehr als 20 neue zusätzliche Modelle hinzukommen. "So wollen wir das Elektroauto zu einem neuen Markenzeichen von VW machen." Allerdings betont er auch, dass der Diesel-Antrieb weiterhin "große strategische Bedeutung" habe.

Dass die Aufarbeitung des Dieselskandals noch längst nicht abgeschlossen ist, machte am Donnerstag auch die Opposition im Deutschen Bundestag deutlich. Linke und Grüne wollen die Affäre in einem eigenen Untersuchungsausschuss beleuchten.

Dabei wird es allerdings nicht nur um die Vorgänge bei VW gehen, sondern auch um den Prüfbericht des deutschen Kraftfahrtbundesamtes, der auch bei Dieselfahrzeugen anderer deutscher Hersteller Ungereimtheiten aufgezeigt hat. Die deutschen Hersteller haben sich daraufhin verpflichtet, insgesamt 630.000 Dieselfahrzeuge zurückzurufen und in einer Service-Aktion umzurüsten. Bei der Behebung der Folgen des Abgasskandals in Deutschland zieht Volkswagen den Rückruf des VW Golf nun vor. (Birgit Baumann, 28.4.2016)