Wien – Rückblick in den vergangenen September, zum Saisoneröffnungskonzert der Gesellschaft der Musikfreunde: Nachdem Martha Argerich Beethovens zweites Klavierkonzert auf harsche, wie auch auf traumverlorene Art interpretiert hatte, setzte sich Daniel Barenboim neben sie auf die Klavierbank. Der Dirigent des Gastspiels der Staatskapelle Berlin spielte mit seiner Landsfrau Schuberts Rondo D 951 als vierhändige Zugabe, zart, innig und tiefenentspannt. Es waren die zehn bezauberndsten Minuten des Konzerts.

Nun also ein ganzer Abend mit den lebenden Legenden aus Argentinien an zwei Klavieren. Argerich und Barenboim, sie kennen sich seit ihren Wunderkinderzeiten, den 1940er-Jahren, in Buenos Aires, ließen es entspannt angehen: Die gemeinsame Wiedergabe von Mozarts dreisätziger Sonate für zwei Klaviere in D-Dur KV 448 erinnerte an eine Durchspielprobe für ein Hauskonzert unter Freunden. Die dynamischen Wechselfälle wurden nur gemütsschonend umgesetzt, die thematischen Dinge plätscherten heiter, grazil und nicht immer hundertprozentig zeitsynchron dahin.

Die Kampfhandlungen in der Durchführung des Kopfsatzes – Mozart rät den Interpreten hier abschnittsweise zu einem Fortissimo – wurden im Stile eines Alexander van der Bellen vorgetragen: bedächtig. Der Mittelsatz, das Andante, geriet zu einer arkadischen Träumerei, fein polierte Melodieperlen wurden auf flauschig-weichen Wattepolstern der Begleitfiguren präsentiert. Mit dem Allegro molto wurde hurtig und feingliedrig finalisiert.

Einen Level höher dann Debussys 1915 entstandene drei Stücke für Klavier, En blanc et noir. Plötzlich hatte das Spiel einen erhöhten Tonus, bezauberten Klangfarben – wenn auch Barenboims Flügel (der Marke Barenboim!) dazu einen etwas stumpfen Klang beitrug. Hier musizierten die Routiniers feinfühlig aufeinander abgestimmt, doch hatte man nie den Eindruck, dass sie in eine gemeinsame emotionale Welt eintraten.

Bei Strawinskys Le Sacre du Printemps steigerten Argerich und Barenboim ihren Kräfteeinsatz noch einmal, dennoch wollte sich die bedrohliche, brachiale Gewalt des Werkes nur eingeschränkt vermitteln. Das Publikum im Großen Musikvereinssaal zeigte sich unbeirrbar entschlossen, die zwei Ikonen feste zu feiern und erapplaudierte sich fünf Zugaben. Die vierte davon, Tschaikowskys Tanz der Zuckerfee, war die zauberhafteste: Mit lichtem Pedalgewölk schuf Argerich (auf Barenboims Flügel) verschwommen-helle Celesta-Traumgespinste. (Stefan Ender, 28.4.2016)