Wien – Die gesellschaftspolitische Debatte und die rechtlichen Rahmenbedingungen sind im Bereich der Prostitution weltweit äußerst diametral. Die Wissenschafterin und Helga Amesberger vom Institut für Konfliktforschung ortete bei einem Symposium im Rahmen des Projekts "Sex/Arbeit/Lust/Illusionen VER/KAUFEN" zumindest vier unterschiedliche "Regime" im Umgang mit der Sexarbeit.

An der aktuellen Initiative, die aus Radiosendungen, Gesprächen oder auch Filmen besteht, beteiligten sich neben Sexarbeiterinnen auch der Verein LEFÖ, eine Beratungsstelle für Migrantinnen sowie Wissenschafterinnen wie Helga Amesberger oder Birgit Sauer. Ebenso wurde auch das Onlineportal "lustwerkstatt.at" ins Leben gerufen.

Zwischen Anerkennung und Kriminalisierung

Inhaltlich wendet man sich gegen ein Verbot des "Sexkaufs" durch Bestrafung der Freier, das 1998 in Schweden eingeführt wurde und im April auch in Frankreichs Gesetzgebung eingeflossen ist. Regisseurin und Aktivistin Tina Leisch: "Eine Illegalisierung bewirkt definitiv überall auf der Welt nur, dass die Sexarbeiterinnen unter schlechteren Bedingungen arbeiten müssen, ausbeutbarer, verletzbarer und angreifbarer sind", argumentierte Leisch. "Gesetzlich treten wir dafür ein, dass Sexarbeiterinnen als normale Selbstständige behandelt und angesehen werden und das mit ihnen auch geredet wird, anstatt über ihre Köpfe zu entscheiden. Auch die Registrierungspflicht empfinden wir als unsäglich und plädieren für deren Abschaffung, wie auch für eine der Zwangsuntersuchungen", ergänzte Kunsthistorikerin und Regisseurin Alma Hadzibeganovic.

In Neuseeland, wo Sexarbeit ein anerkannter Beruf ist, verschob sich laut Amesberger etwa die Tätigkeit weg von den Bordellen, hin zu mehr selbstständig agierenden Frauen. Bei einer Befragung von 750 Sexarbeiterinnen wurde auch ein starker Rückgang von Gewalt festgestellt, ebenso änderte sich Wahrnehmung der Polizei, die wieder in ihrer Schutzfunktion wahrgenommen wurde, berichtete die Autorin von "Sexarbeit in Österreich".

Modelle wie in Schweden gehen davon aus, dass Prostitution grundsätzlich Gewalt gegen Frauen ist und sich Prostituierte weder bewusst noch aus freiem Willen für ihre Tätigkeit entscheiden. Der Begriff "Sexarbeit" wird ebenso abgelehnt. Laut Amesberger hat sich in Schweden durch diese "Umerziehung" jedoch weder die Kundenzahl noch das Angebot großartig verändert. Eine Studie der schwedischen Polizei, die zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes publiziert wurde, stützt diese Aussage. Aktuell würden sich die Stimmen mehren, die auch eine Bestrafung der Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen einfordern, so Amesberger.

Kampf für Legalisierung der Prostitution

Im August des Vorjahres äußerte Amnesty International, dass man sich zu einem weltweiten Kampf für die Legalisierung der Prostitution entschlossen habe. Die Menschenrechtsorganisation wolle damit die Rechte von Prostituierten schützen. Auch die Aktivistin und Regisseurin Tina Leisch hält eine Kriminalisierung der Prostitution nicht für förderlich: "Die Tatsache, dass Sexarbeit in manchen Ländern kriminalisiert ist, führt dazu, dass sie dann ein bevorzugtes Geschäftsfeld für gewisse mafiöse Strukturen wird, mit handelnden Personen, die Profis sind, Dinge illegal abzuwickeln."

Die Haltung der NGO erntete jedoch auch zahlreiche Kritik, unter anderem von mehreren HollywooddarstellerInnen. Und völlig anderer Ansicht sind auch die VertreterInnen des nordischen Modells. Eine derartige Gesetzgebung helfe, andere Aktivitäten krimineller Netzwerke zu verhindern, da Menschenhandel und "moderne Sklaverei" eng mit Prostitution verbunden seien, hieß es etwa im Februar bei der Präsentation der "Initiative Stopp Sexkauf" in Wien.

Sexuelle Ausbeutung wurde im vierten Gesamtbericht der Task Force Menschenhandel als häufigste Form des Menschenhandels genannt. Was den Markt betrifft, so geht die Arbeitsgruppe Prostitution davon aus, dass dieser "in Österreich kaum eingeschränkt oder vermieden werden kann", hieß es im Bericht, der im Juni 2015 veröffentlicht wurde. Man empfehle daher, legale Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen und diese im Sinne der Sexarbeiterinnen gesetzlich zu regulieren. Und die Gesetzgebung dem Bund zu unterstellen. (APA, 6.5.2016)