Der C3W versteht sich als Ableger der gleichnamigen deutschen Hacker-Vereinigung.

STANDARD: Für viele Menschen sind Hacker schlicht Kriminelle. Wie geht der C3W damit um?

C3W: An dieser negativen Verwendung des Begriffs Hacker sind die Medien leider nicht unschuldig. Dabei muss Hacking weder etwas mit Computern noch mit Technik zu tun haben. Es geht vielmehr darum, Systeme zu verstehen, und sie dann anders zu nutzen oder funktionieren zu lassen. Hacker geben sich nicht bloß damit zufrieden, über die Welt nachzudenken und ihre Umgebung zu verstehen: Sie gestalten sie aktiv.

STANDARD: Dafür wurde nun ein eigener Verein gegründet?

C3W: Wir sind anders organisiert, als es bei Vereinen sonst üblich ist. Der Vorstand kümmert sich primär um die organisatorischen Themen. Inhaltlich soll und wird der Club durch die Aktivitäten seiner Mitglieder getrieben werden. Es gibt einiges zu tun – man denke an den Staatstrojaner und andere IT-Vorhaben der österreichischen Bundesregierung. Bei Themen mit technologischem Hintergrund sehen wir uns als Vertreter der Zivilgesellschaft.

STANDARD: Wie steht der Verein zum Staatstrojaner?

C3W: Es ist ein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff, der weder geeignet, noch erforderlich und schon gar nicht verhältnismäßig ist.

STANDARD: Wie bei vielen IT-Themen kommt das allerdings bei vielen Menschen nicht an.

C3W: Es wird wohl leider noch länger dauern, bis auch ein Großteil der Bevölkerung versteht, dass jeder etwas zu verbergen hat. Die anlasslose Überwachung der Bevölkerung wird, trotz zahlreicher Proteste und der nachgewiesenen Sinnlosigkeit, ebenfalls weitergehen beziehungsweise noch weiter ausgebaut, so nicht die Bevölkerung und/oder die Politik zur Besinnung kommt.

STANDARD: Netzpolitisch gibt es in Österreich tatsächlich vieles zu tun. Welche Themen und Problemfelder werden denn den neu gegründeten Chaos Computer Club Wien in den kommenden Jahren besonders beschäftigen?

C3W: Neben klassischen Problemfällen wie Datenschutz, Privatsphäre und Überwachung sehen wir vor allem soziale Probleme aus der sich anbahnenden technischen Entwicklung auf uns zukommen. Durch den sogenannten digitalen Wandel verändern sich beziehungsweise verschwinden ganze Berufsbilder, was allerdings mit einer Steigerung der Produktivität einhergeht. Die Erfolge dieser Effektivitätssteigerung sollten der gesamten Gesellschaft zugutekommen und dürfen nicht auf dem Rücken von Teilen der Gesellschaft ausgetragen werden. Wir sehen derzeit nicht, dass die Politik auf diese Veränderungen adäquat reagiert.

STANDARD: Wie reagiert der C3W darauf?

C3W: Zum einen möchten wir natürlich als Ansprechpartner für interessierte Privatpersonen, Medien und auch Politik agieren und die Expertise unserer Mitglieder in die Entscheidungsprozesse einbringen, um hier beispielsweise die Nutzung öffentlicher Daten zu fördern und gleichzeitig private Daten, die ja gerne als das Öl des 21. Jahrhunderts bezeichnet werden, besser zu schützen. Ein konkretes Projekt, das bereits begeistertes Echo ausgelöst hat, ist "Chaos macht Schule", das wir aus Deutschland übernehmen.

STANDARD: Was passiert dabei?

C3W: Ziel des Projekts ist es, Schüler, Eltern und Lehrer in den Bereichen Medienkompetenz und Technikverständnis zu stärken. Wir versuchen, den kritischen Umgang mit Technologien auch an die Bevölkerung zu vermitteln. Nicht zuletzt, um das von den Medien aufgebaute Image des "bösen Hackers" zu relativieren.

STANDARD: Wie sehen Sie die aktuelle netzpolitische Arbeit der Regierung?

C3W: Bereiche, in denen das politische Österreich noch Gestaltungsraum hätte – wie etwa Privatsphäre, Datenschutz oder Bildungspolitik – werden entweder komplett ignoriert und die dazugehörigen Vorgaben aus der EU quasi kommentarlos übernommen, oder einem parteipolitischen Hickhack geopfert, sodass es seit Jahrzehnten zu keiner relevanten Verbesserung kommt. All dies trägt dazu bei, dass das politische Österreich nicht annähernd für die technischen und sozialen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerüstet ist.

STANDARD: Immerhin wird nun Breitband-Internet ausgebaut.

C3W: Der Ausbau wird nicht von zeitgemäßen Vorgaben geprägt; 100-Mbit-symmetrisches Internet ist in einigen Staaten Europas bereits heute das kleinste Angebot und nicht Ziel für 2020. Hier hören die politischen Vertreter viel zu sehr auf die Einflüsterer der Industrie, anstatt sich selbst ein Bild vom katastrophalen Zustand – selbst in österreichischen Großstädten – zu machen.

STANDARD: Dem C3W steht eine Frau vor. Damit zählt man zu den Ausnahmen in der IT-Welt.

C3W: Für alles, was wir tun, ist es vollkommen irrelevant, ob sich jemand privat als männlich, weiblich, trans oder sonstwie fühlt und/oder definiert. Herkunft und Aufenthaltsort sind für uns ebenso egal wie ethnische oder religiöse Zugehörigkeiten, die grundsätzlich ins Privatleben der einzelnen Personen gehören. Alles, was zählt, ist, was die Personen können, was sie als Menschen ausmacht, was wir voneinander lernen und was wir einander geben können. (Markus Sulzbacher, 8.5.2016)