Man mag nicht in Werner Faymanns Haut stecken. Was muss er sich derzeit alles sagen lassen: dass er keine Führungskompetenz habe, null Plan für die Zukunft dieser Republik, dass er sich auf Kosten und unter Beschädigung der SPÖ an die Macht kralle.

Es wäre allerdings nicht Faymann, hätte er sich von der Massivität der Kritik beeindrucken lassen und kampflos das Feld geräumt. Im Gegenteil: Faymann ließ in den vergangenen Tagen nichts unversucht. Die roten Landesparteichefs konnten sich dem Vernehmen nach kaum erwehren vor lauter Gunstbezeigungen, Loyalitätseinforderungen, aber auch Drohungen aus dem Kanzleramt. Sogar der Bundespräsident ließ sich von Faymann einspannen.

Die wahren Faymann-Getreuen sitzen allerdings in den Boulevardmedien. "Krone", "Heute" und "Österreich" taten in den vergangenen Tagen ihr Äußerstes, ihrem Leitwolf die Gefolgschaft des Rudels zu sichern. Da gibt es Allianzen, geschmiedet über Jahrzehnte und gegen viel Bares vom Steuerzahler, die absolut hielten. All die vielen Inseratenmillionen aus Steuergeld, Exklusivinterviews und Insiderinformationen sollten sich nun für Faymann auszahlen – die Frage ist freilich, ob er sich hier nicht verrechnet und die Rechnung ohne die Parteibasis und die Ländergranden gemacht hat.

Aktuell richtet sich der Furor der "Krone" gegen die Wiener Stadträtinnen Sonja Wehsely, Renate Brauner und Sandra Frauenberger – die beiden Ersteren waren schon in Wiener Rathaustagen Faymanns Konkurrentinnen. Letztere ist für Integration zuständig, das bietet viel Angriffsfläche. Die "drei Rathausdamen" werden abwechselnd als naiv oder ablösereif bezeichnet, frauenfeindliche Töne inklusive. Auch Wehselys Partner Andreas Schieder bekommt fast täglich zu lesen, dass seine Karriere vorbei sei, weil er (siehe Asylabstimmung) den SPÖ-Parlamentsklub nicht "im Griff" habe. Eine angebliche "Kopietz-Doktrin" des langjährigen Häupl-Vertrauten Harry Kopietz sähe die SPÖ im Bund gar lieber in Opposition, um die Wahlchancen in Wien gegen die FPÖ zu verbessern, schrieb die "Krone". Allerdings wird die Existenz einer solchen "Doktrin" im Wiener Rathaus rundweg dementiert.

Auch im Präsidentschaftswahlkampf kampagnisierten die Boulevardmedien im Sinne des Kanzleramts, "Österreich" veröffentlichte sogar eigene Umfragen, deren Ergebnisse zwar pro SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer, aber bar jeden Realitätssinns waren. Genützt hat diese Art der Desinformation bekanntlich nichts.

Die Welt des Werner Faymann muss derzeit in vielerlei Hinsicht erschüttert sein. Als Wiener Wohnbaustadtrat hat er gelernt, dass er mit gesponserten Zeitungsbeilagen und Jubelpostillen eine eigene virtuelle Welt schaffen kann, die seinen Aufstieg begünstigt. Als Verkehrsminister hat er diese hübsche Tradition auf Bundesebene fortgesetzt – sie hat ihn vor acht Jahren ins Kanzleramt gespült. In der Zwischenzeit hat sich die Welt weitergedreht, Internet und soziale Medien haben weltweit viele Zeitungsplatzhirschen aus ihren Positionen verdrängt – da ist Österreich nicht die Ausnahme.

Für die Politik insgesamt kann das Absägedrama rund um den Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden auch in dieser Hinsicht ein Lehrstück sein. Erkaufte Berichterstattung ist sauteuer, vor allem für die Steuerzahler – aber sie wirkt nicht immer. (Petra Stuiber, 6.5.2016)