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Die Küche "Rock.Air" von Steininger, inszeniert im Zillertal. Mit ihr will man zeigen, dass man ganzjährig outdoor kochen kann. Egal wo.

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Ein Baukastensystem zeichnet das Grundprinzip der Bulthaup "b1" Küchen aus.

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Für das Kochen unter freiem Himmel ist die Küche "AH 16" von Boffi gedacht.

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Polierten Stein, kombiniert mit anderen Oberflächen, präsentierte man bei Poliform-Varenna.

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Ebenfalls den Tastsinn anregen sollen die diversen Oberflächen des Herstellers Valcucine.

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Leichtfertigkeit kann man den Küchenherstellern derzeit ganz gewiss nicht unterstellen. Auf der Küchenmesse "Eurocucina", die Mitte April parallel zur weltgrößten Möbelschau "Salone del Mobile" in Mailand stattfand, wurden schwere Geschütze aufgefahren: Ganze Korpusse, Schränke und Mittelinseln sind mit großformatigen Platten aus Naturstein verkleidet.

Die Regel: Je charakteristischer und effektvoller die Maserungen und Farben, desto besser. Schließlich wollen die schwergewichtigen Panzerungen auch als solche erkannt werden.

"Das Auto als Statussymbol hat ausgedient. Viel lieber investieren gut situierte Europäer in die Kücheneinrichtung", verkündet der Steinverarbeiter Strasser. In Mailand präsentiert das Linzer Unternehmen die Kücheninsel "ST-ONE", die in klangvollen Ausführungen wie "Camouflage", "Iceberg" oder "Fossil" zur Auswahl steht und sich so in jede häusliche Umgebung einfügen soll.

Auf eine monolithische Erscheinung setzt auch der italienische Hersteller Minotticucine mit dem Küchenprogramm "Anima" von Chefdesigner Alberto Minotti. Die Funktionen Kochen, Abwaschen und Verarbeiten sind in drei Blöcke aus schwarzem Wüstenmarmor unterteilt, deren Fugen – normalerweise ein unumgängliches, konstruktives Detail – durch eine veränderte Schnitttechnik des Steins fast unsichtbar sind. Und so geht das materielle Aufrüsten mit einer Reduzierung der Formensprache einher, als hätten Donald Judd und die Familie Feuerstein gemeinsame Sache gemacht.

Monumental kochen

Die Botschaft ist eindeutig formuliert: Hier soll kein flüchtiger Zeitgeist bedient werden. Hier sollen kulinarische Bühnen für die Ewigkeit geschaffen werden. Die Gründe dafür sind zweierlei: Stein wirkt im Gegensatz zu Edelstahl nicht zwangsläufig kalt, sondern kann mit matten Oberflächen und lebendigen Strukturen eben jene Wärme erzeugen, die zur angestrebten Verschmelzung von Küche und Wohnraum vonnöten ist.

Weiterer Nebeneffekt: Haben sich manche Kunden bislang gewundert, warum eine Küche im Highendbereich mit locker 50.000 bis 100.000 Euro zu Buche schlägt, erübrigt sich nun die Frage. Die Küche ist ein Ort der Repräsentation, der seine Anschaffungskosten mit einer luxuriösen Materialschlacht unmissverständlich kommunizieren soll.

Damit das gelingt, suchen Hersteller und Designer auch nach Schnittstellen zu anderen Werkstoffen. So kombiniert der italienische Hersteller Varenna mit seinem Küchenprogramm "Arthena" matt polierte, braune Steinoberflächen mit Fronten aus schwarzer Eiche.

Tastsinn

Atmosphärisch geht es bei Arclinea weiter, wo Antonio Citterios neues Küchenprogramm "Principia" auf die Verbindung von steinernen Arbeitsflächen und bronzefarbenen Metalloberflächen setzt. Dank des sogenannten PVD-Verfahrens (Physical Vapour Deposition) wird Edelstahl mit Farbpartikeln bedampft, wodurch das Metall an Korrosionsbeständigkeit gewinnt.

"Wenn wir über den Sehsinn hinausgehen und unseren Tastsinn benutzen, werden wir an längst vergangene Zeiten erinnert, die ein Teil von uns sind und in uns ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit hervorrufen", erklärt der italienische Küchenhersteller Valcucine.

In Mailand präsentiert das Unternehmen die Küche "Genius Loci" von Gabriele Centazzo, die für Fronten und Griffe patinaaffine Materialien wie Kupfer oder Massivholz mit betont rauen Oberflächen einbringt. Auch hier wird die Küche als Wohlfühlort in Szene gesetzt, der Wertigkeit und Langlebigkeit suggerieren soll. Was zählt, ist bei weitem nicht nur der erste Eindruck. Es wird ebenso geschaut, was unter der Haube passiert.

Ein Vorreiter ist hierbei der österreichische Hersteller Team 7, der in diesem Jahr das Innenleben seiner Küchen auf den Prüfstand stellt. Fortan werden sämtliche Innenkonstruktionen von Schränken und Mittelinseln nur noch aus Massivholz angefertigt, sodass Fake-Oberflächen wie furniertes Pressspan endgültig ausgedient haben.

Einen Einblick ins Innenleben von Aufbewahrungsmöbeln gewährt auch Bulthaup mit den "b+ Solitären". Die filigranen, nach allen Seiten geöffneten Aluminumrahmen können mit verschiedenen Einlegeböden, Rosten, Tablaren und Auflagen bestückt werden, für die gebürstete und geölte Eiche sowie Gusseisen verwendet werden. Natürlichkeit und Authentizität werden hier mit einer transparenten Konstruktion verbunden. Es gibt nichts zu verstecken, lautet die Message. Alles ist greifbar und echt.

Die Ausweitung der Kochzone nehmen die Hersteller mit Outdoor-Küchen auch weiterhin in Angriff. Boffi präsentiert das Programm "AH16" von Alessandro Andreucci und Christian Hoisl, bei dem sich filigrane Monoblöcke mit offenen Ablagen als Reihe oder Ecklösung verbinden lassen. Es ist erstaunlich, was man sich in Sachen Outdoor-Kochen alles antut.

Freiluftkochen

Einen Härtetest absolvierte die Outdoor-Küche "Rock.Air" von Steininger bei minus 15 Grad Celsius im zugeschneiten Zillertal. Die Anmutung eines konventionellen Küchenblocks wird zugunsten minimalistischer Kuben aufgegeben. Deren Edelstahlhülle ist mit einer Nano-Beschichtung aus Glaskeramik überzogen, die Minustemperaturen ebenso standhält wie salziger Meeresluft. "Wir wollen zeigen, dass man ganzjährig draußen kochen kann und soll – egal wo", sagt Harald Aichinger, Geschäftsführer des österreichischen Unternehmens.

Unterm Strich ist die Küche von heute vor allem eines: ein funktionales Repräsentationsobjekt, in dem keine Pferdestärken oder Drehzahlen gemessen werden (auch wenn technische Spielereien bei der Auswahl der Geräte definitiv dazugehören).

Die Küche selbst ist die größtmögliche Lowtech-Antwort auf eine immer stärker digitalisierte Welt. Mit einem Hauch von Antike verspricht sie Halt – und trifft damit in Singapur, Dubai und New York durchaus den richtigen Nerv. Inwieweit sich die alte Welt davon begeistern lässt, wird sich allerdings noch zeigen. (Norman Kietzmann, RONDO, 23.5.2016)