Wenn die SPÖ Christian Kern zum neuen Parteichef machen und er Bundeskanzler werden sollte, dann müsse "klar sein", dass die SPÖ das Verkehrsministerium nicht weiter behalten dürfe. Das fordert zumindest der Chef der bärenstarken 9,2-Prozent-ÖVP in Wien, Gernot Blümel. Denn der Ex-ÖBB-Chef in der Rolle des Kanzlers und die Verkehrsagenden unter roter Ressortleitung würden "absolute Unvereinbarkeit" bedeuten. Allen Ernstes?

Der Pharmaunternehmer Martin Bartenstein im Wirtschaftsministerium oder auch exemplarisch der Ex-Rektor Karlheinz Töchterle als Wissenschaftsminister waren kein Problem für den ÖVP-Hygienebeauftragten? Blümels Forderung ist absurd – eine Chuzpe. Putzige Politik der Peinlichkeiten angesichts eines potenziellen Konkurrenten, der auch die ÖVP zu Veränderungen zwingen wird. Die aber versucht nach dem überfallsartigen "Dann macht euch den Krempel doch selber"-Abgang von Werner Faymann die letzten Mauern einer brüchigen Zweckehe noch zu retten und aus dem gemeinsamen Hausrat und dem Interregnum bei den Roten möglichst viel für sich herauszuholen und die SPÖ nach Möglichkeit zu triezen.

So äußerte Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner beträchtliche Skepsis hinsichtlich der Kanzlerfähigkeit eines Quereinsteigers aus dem Topmanagement. Ein Akt der Unsouveränität, den Mitterlehner eigentlich nicht nötig haben sollte. Er war übrigens – nach Josef Pröll und Michael Spindelegger – der dritte Schwarze in dieser Funktion, den Faymann klag- und bedingungslos in seinem Kabinett akzeptierte.

Dass sich die ÖVP jetzt in diversen Forderungen (Flüchtlingspolitik wie bisher, Reform der Mindestsicherung und Wirtschaftspakt – unter Verweis auf das gültige Regierungsprogramm!) verheddert, zeigt ihre Unruhe angesichts der Vorgänge in der SPÖ.

Aber den Parteichef darf sich eine Partei immer noch selbst aussuchen, auch die ÖVP. Ob ein Kanzler scheitert, wird er selbst zeigen. So ein Personalproblem wird entweder durch Rücktritt (Modell Faymann), Putsch aus den eigenen Reihen oder Koalitionsbruch gelöst, wenn es zum Beispiel dem Koalitionspartner "reicht".

Bis dahin sollte die ÖVP mit ihren Querschüssen aufhören. Sie beschädigt sich durch solche Panikaktionen nur selbst. Vor allem sollte sie nicht dem Trugschluss unterliegen, dass mit Faymann auch der Vorwurf "Stillstand" verschwinden wird. Der Stillstand in einer Koalitionsregierung ist ein Koalitionsprodukt. Wer hat die ÖVP daran gehindert, schon zu Faymanns Zeiten für Bewegung und Reformen zu sorgen? Sie sollte daher auf den Hauptschauplatz zurückkehren und ihren Job erledigen: Regieren.

Dass sich die SPÖ das Gebaren der ÖVP im Moment nicht bieten lässt, ist klar. Und dass Klubobmann Andreas Schieder in alter "Wie du mir, so ich dir"-Manier kontert, dann werde die SPÖ eben auch zu Punkten Nein sagen, die der ÖVP wichtig sind, etwa TTIP, passt da nur allzu gut ins Bild einer heillos zerrütteten Ehe. Man traut den beiden nicht mehr zu, dass sie die Kurve noch einmal kriegen.

Vielmehr zeigen sich die kaum mehr verborgene Abneigung und das tiefsitzende Misstrauen zwischen zwei nur noch durch sinnentleerten Machterhalt aneinandergeketteten Parteien, die um sich schlagen, um den Gegner untergehen zu sehen – und dabei nicht einmal merken, dass sie beide dem Untergang geweiht sind. (Lisa Nimmervoll, 11.5.2016)