Klarer Sieger im brasilianischen Machtpoker ist der neue Übergangspräsident Michel Temer. Sein Plan ist aufgegangen. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff wurde durchgeführt, wie er und seine mächtigen Verbündeten der neuen Regierungspartei PMDB es geplant haben. Bisher gerierte sich die rechtsliberale Partei als Steigbügelhalter für die jeweils Regierenden und schwankte je nach politischer Großwetterlage.

Jetzt muss sie liefern. Brasilien durchlebt derzeit die schwerste Rezession seit hundert Jahren. Anders als Rousseff verfügt Temer aber über eine stabile Mehrheit und kann so auch unliebsame Reformen durch den Kongress bringen. Und die Wirtschaft steht hinter ihm, erwartet eine unternehmerfreundliche Politik. Mit dem Rotstift dagegen will er Sozialprogramme zusammenstreichen. Eine Lobby hat die ärmere Bevölkerung in dieser Regierung nicht.

Temer ist sicher kein Hoffnungsträger. Vielmehr gilt der 75-Jährige als einer der gewieftesten Strippenzieher im brasilianischen Klüngelsystem. Wie kaum ein anderer kennt er die Spielregeln der Hinterzimmerpolitik und Patronage.

Es ist klar, dass seine vielbeschworene "Regierung der nationalen Einheit" mehr auf persönlichen Gefälligkeiten als auf politischem Pragmatismus beruhen wird. Rousseff wollte sich dem gängigen Klientelismus nicht anpassen. Sie hat sich verkalkuliert. Postenschieberei und finanzielle Belohnungen gehören einfach zu Brasiliens Politik. (Susann Kreutzmann, 12.5.2016)