Die Bilanz der Ära Kern ab 2010 fällt durchaus ambivalent aus.

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Wien – Wer immer Christian Kern an der Spitze der ÖBB-Holding nachfolgt: Für die Bundesbahn wird es auf jeden Fall billiger. Denn Andreas Matthä, der in Bahn- wie SPÖ-Kreisen seit Jahren als zuverlässige Personalreserve gilt, verdient deutlich weniger als Kern, dessen Vertrag 2014 vorzeitig verlängert und wegen eines angeblichen Abwerbeangebots auf jenseits der 700.000 Euro fast verdoppelt worden war.

Der Rechnungshof gab die Vorstandsgagen des Teilkonzerns ÖBB-Infrastruktur im Einkommensbericht 2014 mit 404.300 pro Vollzeitäquivalent und Jahr an. Matthäs Jahresgage als Vorstandschef der ÖBB-Infra darf also auf rund 350.000 Euro taxiert werden. Die ebenfalls als ÖBB-Frontfrau ins Spiel gebrachte Chefin des SPÖ-nahen Berufsbildungsinstituts Bfi, Valerie Höllinger, wäre sicher auch billiger als Kern. Bei ihrer Gage würde sich ÖBB-Holding-Aufsichtsratschefin Brigitte Ederer wohl an den Gagenrichtlinien der sogenannten Vertragsschablone orientieren.

Aber so weit ist das Postenkarussell noch nicht in Fahrt gekommen. Noch amtiert Verkehrsminister Gerald Klug als oberster Eigentümervertreter der Bahn in der Wiener Radetzkystraße, er oder sein Nachfolger dürfte bei der Nachbesetzung an der ÖBB-Spitze mit Sicherheit ein gewichtiges Wort mitreden.

Angeschwollene Verbindlichkeiten

Die Staatsbahn selbst wird den Steuerzahler schon allein aufgrund des Milliarden-Bauprogramms nicht billiger kommen. Denn das vor fast zehn Jahren unter Verkehrsminister Werner Faymann (SPÖ) um Semmering- und Brenner-Basistunnel massiv aufgestockte Bauprogramm ließ die Finanzverbindlichkeiten der Bahn, für die der Bund vollumfänglich haftet, auf 22,3 Milliarden Euro anschwellen (Stand Ende 2015).

Tendenz steigend, denn gemäß dem vom Parlament beschlossenen ÖBB-Rahmenplan kommen bis 2021 weitere 14,6 Milliarden Euro dazu. Diese Kosten (Zinsen und Annuitäten) werden der Bahn-Führung seitens ÖVP und Opposition gern angelastet – wie auch die Pensionszahlungen für rund 68.000 Alteisenbahner im Volumen von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr (davon rund 300 Millionen Euro an Pensionsbeiträgen der Arbeitnehmer). Für sie fungiert der ÖBB-Konzern als Zahlstelle und erhält deshalb Pensionszuschüsse aus dem Budget.

Da nach 1994 angestellte ÖBBler ins ASVG- statt ins Bahnsystem einzahlen, sinkt naturgemäß die Deckungsquote, und der staatliche Zuschuss muss steigen. Diese Zuschüsse haben die ÖBB zum Lieblingsfeind von ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka werden lassen. Wohl attestiert der frühere Finanzstaatssekretär, das Unternehmen befinde sich auf einem "grundsätzlich positiven Kurs", er urgiert aber regelmäßig Eingriffe ins Dienstrecht, die das Management ohne gesetzliche Rahmenbedingungen kaum erfolgreich umsetzen kann. Wohlgeübt ist auch der Schlagabtausch betreffend krankheitsbedingter Ruhestandsversetzungen und Frühpensionierungen von beamteten Eisenbahnern. Es gebe Fortschritte, aber sie gehen Lopatka nicht weit genug.

Verweigerte Kapitalerhöhung

Vor diesem Hintergrund fällt die Bilanz der Ära Kern (2010 bis 2016) gemischt aus. Zweifellos ist es dem früheren Verbund-Manager gelungen, das nach der großen ÖBB-Reform 2004 in fast 20 Subgesellschaften zerstückelte und teilweise völlig zerstrittene Großreich zu stabilisieren. Das war dringend notwendig, denn mit der Finanzkrise war der Güterverkehr in bedrohliche Schieflage geschlittert.

Allein aus eigener Kraft schaffte es der präsumtive Bundeskanzler und die von ihm in der Rail Cargo Austria (RCA) installierten Getreuen freilich nicht. Da der Bund eine dringend notwendige Kapitalerhöhung verweigerte (bei Verbund und OMV zeichnete er neue Aktien), musste die Entlastung im ÖBB-Konzern "gefunden" werden. Zu den schwarzen Zahlen, deren sich die ÖBB-Führung rühmt, trug neben Konsolidierungsmaßen auch bei, dass der RCA Dauerverlustbringer wie diverse Logistikcenter, Güterterminals, Kontraktlogistik (Stückgut) und hunderte Güterwagen konzernintern abgenommen wurden. Aufnehmende Stelle war in den meisten Fällen – erraten – der überwiegend öffentlich finanzierte Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur.

Auch der kostspielige Verschub mit hunderten unkündbaren Mitarbeitern wurde an die für Bau und Betrieb des Schienennetzes zuständigen ÖBB-Infra ausgelagert. Da diese Dienstleistungen nicht nur für die ÖBB-Absatzgesellschaften erbracht werden, sondern auch für Privatbahnen, sind die Transfers argumentierbar und legitim. Aber sie sind die Kehrseite der Erfolgsmedaille.

Der Staat bestellt

Aufpoliert wurde die Erfolgsbilanz zweifellos auch durch kontinuierlich steigende staatliche Zuschüsse, die die ÖBB in Form von Gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Bundes erhält (siehe Grafik). Mit ihnen wird nicht nur eine höhere Kilometerleistung von Pendlerzügen und unwirtschaftlichen Linienbussen abgegolten, sondern auch Pünktlichkeit ("Qualitätsmanagement") und die Neuanschaffung von Fahrzeugen monetarisiert, schließlich zahlen die Länder beim Rollmaterial mit.

Die Transparenz in diesem Bereich ist übrigens kaum gestiegen. Wie viel von den 354 Millionen Euro, die der Familienlastenausgleichsfonds für Jugendtickets, Lehrlings- und Schülerfreifahrten über die Verkehrsverbünde an Österreichs größten Mobilitätskonzern ÖBB fließen, bleibt unter Verschluss. Sie gehen in den "Markterlösen" des ÖBB-Personenverkehrs auf. Die 192 Millionen Euro Ergebnis vor Ertragssteuern relativieren sich vor diesem Hintergrund, zumal das Betriebsergebnis durch Auflösung einer Rückstellung aufgeputzt wurde.

Die öffentliche Hand bei zahlungswilliger Laune zu halten gehört jedenfalls zu den Hauptaufgaben des Nachfolgers. (Luise Ungerboeck, 12.5.2016)