50 Liegestütze in möglichst kurzer Zeit absolvieren: Apps wie Runtastic Results kennen Worte wie Müdigkeit oder Erschöpfung nicht. Das birgt Gefahren.

Foto: Runtastic

Ein Handy kann ganz schön nervig sein. Insbesondere wenn gerade Freeletics läuft. "Aufhören ist keine Option", teilt einem die Fitnessapp mit, als nach dem 78. Burpee jegliche Kraft aus dem Körper verschwunden scheint. "Aphrodite" steht auf dem Programm, ein Training, das aus 150 Burpees, 60 Sit-ups und 150 Kniebeugen besteht. Nicht am Stück natürlich, das wäre dann doch zu viel, sondern in immer kleiner werden Trainingseinheiten. Erst startet man mit 50 Burpees, am Ende sind es "nur mehr" zehn.

"Aphrodite" ist eines der forderndsten Trainings der von drei Münchner BWL-Studenten lancierten und im Juni 2013 online gegangenen App. Seitdem hat Freeletics den Markt für Sportapps neu definiert, vor allem jenen von Bodyweight-Apps, sprich von Programmen, die auf das Training mit dem eigenen Körpergewicht setzen. Außer einer Fitnessmatte braucht es dafür nur das eigene Smartphone – und natürlich einiges an Durchhaltevermögen. Nach dem 78. Burpee kommen noch weitere 72.

Über neun Millionen registrierte Nutzer verzeichnet Freeletics derzeit nach eigenen Aussagen. Und das innerhalb von gerade einmal drei Jahren. Die App ist in 140 Ländern und in sechs Sprachen zu haben, in Europa gibt es kaum eine Stadt, in der es noch keine Freeletics-Community gibt. So bezeichnet man die Grüppchen von Leuten, die sich auf Facebook verabreden, gemeinsame Trainings zu absolvieren. Kein Wunder, dass der durchschlagende Erfolg auch anderen Anbietern von Sport-Apps den Mund wässrig gemacht hat.

Ein Plagiat?

Als Ende vergangenen Jahres der Linzer Fitness-App-Entwickler Runtastic sein Bodyweight-App Runtastic Results vorstellte, war die Aufregung in der Community groß. Ein freches Plagiat schnaubten die einen, einen Frontalangriff auf Freeletics witterten die anderen. "Als ganz normale Entwicklung" bezeichnet es hingegen Lunden Souza, die den Trainingsplan ausbaldowerte. "Bevor es Apps fürs Bodyweight-Training gab, hatte man Fitness-DVDs oder Videos gehabt."

Muskelbepackte Männer wie Flying Uwe, Tim Gabel und Karl Essl stellten ihre Trainingstutorials auf Youtube, die Finanzierung erfolgt bis heute über Werbeeinnahmen. Der Vorteil von Trainingsapps auf dem Handy besteht darin, dass man örtlich unabhängiger ist – und dass die App auf das jeweilige Fitnesslevel reagiert. "Wir möchten die Menschen dort abholen, wo sie gerade stehen", sagt Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner: "Dafür braucht man ein Training, für das man nicht viel Zeit benötigt und welches man überall durchführen kann." Im vergangenen Jahr verkaufte er sein Start-up um 220 Millionen Euro an Adidas. Zahlen, wie viele Kunden fünf Monate nach Markteinführung Results nutzen, will Gschwandtner nicht rausrücken. Der Nachteil gegenüber Freeletics besteht in der fehlenden Community, der Vorteil darin, dass es eine größere Bandbreite an Übungen gibt und die Anforderungen moderater scheinen. "Aktuell nutzen mehr als 40 Prozent Frauen die Results-App, das Durchschnittsalter liegt bei rund 35 Jahren."

Jung und männlich

Schaut man sich an Freeletics-Spots wie der Rossauer Lände in Wien um, dann scheinen die Nutzer bei Konkurrent Freeletics deutlich jünger zu sein – und in der Mehrzahl aus Männern zu bestehen. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich in der Kombination der Übungen, die viele User an ihre Leistungsgrenzen treiben. "Kentauros" zum Beispiel (alle Freeletics-Programme sind nach Figuren aus der griechischen Mythologie benannt) kombiniert sogenannte Lunge-Walks mit Streck- und Froschsprüngen. Und das über einen Zeitraum von 25 bis 50 Minuten – je nach persönlichem Fitnesslevel.

"Die größte Gefahr bei Bodyweight-Trainings mittels App besteht darin, dass sich die Leute übernehmen", sagt denn auch der Wiener Sportmediziner Robert Fritz: "In meiner Ordination werde ich tagtäglich mit den Folgen eines unkontrollierten oder zu intensiven Trainings konfrontiert." Zum einen sind dies Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zum anderen Überforderungen des Bewegungsapparats. "Konsultiert man vor dem Training einen Sportmediziner und führt die Übungen korrekt nach den Videoanleitungen aus, dann spricht aber wenig gegen die Apps. Im Gegenteil: Auch ich empfehle sie meinen Patienten."

Zirkeltraining

Bodyweight-Trainings sind im Grunde nichts anderes als klassisches Zirkeltraining, mit dem Vorteil, dass sich die Apps dem individuellen Fitnesslevel anpassen. Runtastic-Results-Entwicklerin Lunden Souza ist sogar überzeugt, dass die Verletzungsgefahr beim Bodyweight-Training geringer als zum Beispiel im Fitnessstudio sei, aus dem einfachen Grund, dass auf Zusatzgewichte verzichtet wird. "Das A und O ist jedoch, auf den eigenen Körper zu hören – beim Training zu Hause genauso wie im Fitnessstudio." Ihr Tipp: "In der Gruppe zu trainieren vermeidet nicht nur Fehler, sondern ist auch total motivierend.

Das scheint man auch an der Rossauer Lände so zu sehen. Der eine übt sich in Burpees, der Zweite macht Kniebeugen, die Dritte läuft eine Runde. Aufgeben gilt hier nicht. Da muss nicht das Handy ein Machtwort sprechen, das machen schon die Trainingskollegen.

(Rondo Digital, Stephan Hilpold, 28.6.2016)