Aktuell gibt nicht einmal ein Viertel (23 Prozent) der vom Online-Portal karriere.at befragten Führungskräfte an, dass in ihrem Unternehmen Gesundheitsprogramme fix in der Kultur verankert sind.

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Gesundheitskompetent kann der oder die einzelne, aber auch eine Organisation sein.

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Mehr als ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher fühlt sich am Arbeitsplatz gesundheitlich beeinträchtigt, zeigt der Arbeits-Fitness-Barometer der Initiative Fit2Work. Zu den häufigsten körperlichen Beschwerden zählen Rücken- und Nackenschmerzen sowie Augenprobleme. Aber auch psychische Belastungen nehmen zu: Ein großer Teil fühlt sich laut Studie nach der Arbeit erschöpft und ausgelaugt, vielen machen auch Angstgefühle und Schlaflosigkeit zu schaffen.

Kümmern sich Betriebe um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, werden sie dafür nachweislich belohnt: Fehlzeiten verringern sich, die Produktivität steigt – und auch die Attraktivität als Arbeitgeber. Aktuell gibt jedoch nicht einmal ein Viertel (23 Prozent) der vom Online-Portal karriere.at befragten Führungskräfte an, dass in ihrem Unternehmen Gesundheitsprogramme fix in der Kultur verankert sind. 27 Prozent der vom Beratungsunternehmen Mercer befragten Betriebe haben sich dem Thema noch gar nicht gewidmet.

Gesundheitskompetenz als Konzept

Woran das liegt – und wo angesetzt werden muss, um Gesundheitsförderung in den Betriebsalltag zu bekommen -, wurde unlängst an der Universität Wien diskutiert. Der Workshop war Teil der Veranstaltungsreihe "University Meets Industry" (uniMind). Führungskräfte, Arbeitsmediziner, Arbeitspsychologinnen, Vertreter aus Health-Management-Abteilungen diverser Unternehmen, Berater und Coaches waren gekommen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Karl Krajic (Forba – Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt) und Annika Schönauer (Institut für Soziologie), sie lieferten auch theoretische Inputs.

Dabei ging es um gesellschaftliche Entwicklungen: der technologische Wandel und neue Möglichkeiten, flexibler zu arbeiten – und der gleichzeitig steigende Druck, immer erreichbar zu sein (Stichwort "Entgrenzung") und immer neue (digitale) Kompetenzen zu erwerben. Vorgestellt wurde das Konzept der Gesundheitskompetenz. Es beschreibt die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die eigene Gesundheit auswirken. Auch ein Betrieb kann "gesundheitskompetent" sein.

Im Anschluss an jeden Vortrag waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefordert, das Gehörte in Kleingruppen zu besprechen – und zunächst Hindernisse für Gesundheitsförderung zu diskutieren. Die Erfahrungen der Anwesenden: Gesundheit zu managen stoße nach wie vor häufig auf Skepsis und Ängste, bei Führungskräften wie bei Mitarbeitern. Erstere glaubten oft, "was man nicht sieht, ist nicht da" (so formulierte es eine Teilnehmerin), Letztere hätten nicht selten Angst vor negativen Konsequenzen oder fühlten sich in ihrer Privatsphäre verletzt. In Gesundheitsmanagement müssten daher alle eingebunden werden, so der Tenor. Top-down und bottom-up.

Theorie in der Praxis

Basis einer gesundheitskompetenten Organisation sei jedenfalls ein entsprechendes Fundament. Einerseits zeitliche und personelle Ressourcen, aber auch "Basisregeln": gesetzliche Vorgaben – Betriebsvereinbarungen, Arbeitszeitregelungen und deren regelmäßige Kontrolle. Andererseits vor allem aber auch eine Unternehmenskultur, die die Gesundheit der Mitarbeiter hochhält. Dafür müsse Gesundheitskompetenz in die strategische Planung, Evaluation und Qualitätssicherung integriert werden und das Top-Management dahinterstehen. Führungskräfte, hieß es, müssten Wertschätzung zeigen, Unterstützung anbieten. Gesundheit könne auch in Mitarbeitergesprächen zum Thema gemacht werden. Reflektieren sollten Chefs schließlich aber auch ihre Ansprüche an das Team: Ist es wirklich notwendig, am Wochenende oder spätabends E-Mails zu verschicken und eine schnelle Antwort zu verlangen?

Für die Belegschaft wiederum müssten ausreichend Schulungsangebote zur Verfügung stehen. Und was bringt sie dazu, diese auch in Anspruch zu nehmen? Sie in die Entwicklung von Materialien und Angeboten miteinzubeziehen, so der Vorschlag. Angebote müssten auf die Bedürfnisse aller eingehen, ohne zu stigmatisieren. Informationen müssten einfach zugänglich und leicht verständlich sein.

Die Gründe, aus denen sich Betriebe noch nicht dem Gesundheitsmanagement widmen, sind laut Beratungsunternehmen Mercer fehlende Ressourcen, mangelndes Interesse oder zu hohe Kosten. (Lisa Breit, XX.5.2016)