Breite Gehwege laden eher dazu ein, zu Fuß zu gehen. Das sollte bei der Stadtplanung berücksichtigt werden, sagen Forscher.

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Bewegung spielt in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Übergewicht und manchen Krebsarten eine große Rolle. Da bereits mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten lebt, initiierte das Internationale Netzwerk für physische Aktivität und Umwelt (IPEN) im Jahr 2009 eine Studie: Forscher untersuchten die Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität und der Stadtumgebung. In einer aktuellen Analyse dieser Daten fanden James Sallis von der University of California in San Diego und Kollegen heraus, welche Merkmale einer Wohngegend dabei relevant sind.

Die Wissenschafter analysierten die Nachbarschaften von 6.822 Personen aus 14 Städten, von Olomouc in Tschechien mit rund 100.000 Einwohnern bis zu Hongkong (China) und Bogotá (Kolumbien) mit sieben bis acht Millionen Einwohnern. Diese verglichen sie mit der Aktivitätsrate der Probanden. Gemessen wurde diese über Beschleunigungssensoren, die die Probanden mindestens vier Tage um die Taille tragen mussten.

Wohndichte, Kreuzungen, Haltestellen, Parks

Im Durchschnitt zeigten die Teilnehmer 37 Minuten pro Tag mäßige bis starke körperliche Aktivität, also zügiges Gehen oder schnellere körperliche Fortbewegung. Die höchste Aktivitätsrate hatten die Beteiligten der neuseeländischen Hauptstadt Wellington mit 50 Minuten am Tag, Schlusslicht bildete Baltimore im US-Bundesstaat Maryland mit 29 Minuten.

Die Forscher kontrollierten die Daten auch hinsichtlich unterschiedlicher Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Familienstatus und Beruf. Außerdem berücksichtigten sie, ob eine Gegend mit hohem oder niedrigem Einkommen assoziiert wurde. Sie fanden vier Wohnmerkmale, die am stärksten mit erhöhter körperlicher Aktivität zusammenhängen: hohe Wohndichte, die Anzahl der Kreuzungen und der Haltestellen für öffentliche Verkehrsmittel sowie die Zahl der Parks, die zu Fuß erreichbar waren.

Regelmäßige Bewegung durch gute Verkehrsanbindung

Zwischen Probanden aus Gegenden, in denen diese Merkmale am stärksten ausgeprägt waren, und den am wenigsten "aktivitätenfreundlichen" Nachbarschaften gab es einen Unterschied von 68 bis 89 Minuten Bewegung pro Woche. Dieser Unterschied entspricht immerhin 45 bis 59 Prozent der empfohlenen 150 Minuten an Bewegung pro Woche, wie die Autoren im medizinischen Fachmagazin "The Lancet" schreiben.

Ein möglicher Grund für diese Zusammenhänge ist, dass Stadtteile mit hoher Wohndichte auch mehr Geschäfte, Dienstleistungsanbieter und untereinander verbundene Straßen haben, sagt Sallis, Hauptautor der Studie: "Die Leute gehen dadurch eher zu Fuß, um lokale Geschäfte zu besuchen." Dem schließt sich Ester Cerin, Co-Autorin von der Universität Hongkong, an: "Trotz des feuchten, subtropischen Klimas, das Menschen in der Regel körperlich weniger aktiv macht, zeigte Hongkong eine überdurchschnittliche Aktivität, ähnlich den untersuchten neuseeländischen Städten."

Durch die sehr hohe Wohndichte und die gleichzeitig gute Verkehrsanbindung seien die Bewohner oft täglich zu Fuß unterwegs, um öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder Läden in der Umgebung aufzusuchen. "Wenn sie das regelmäßig tun, wird diese beiläufige Bewegung zu einem wichtigen Beitrag für die gesamte körperliche Aktivität."

Auf die Städteplanung kommt es an

Sallis zeigt einen weiteren Aspekt der Ergebnisse auf: "Die Distanz zur nächsten Haltestelle für öffentliche Verkehrsmittel hing nicht mit höherer körperlicher Aktivität zusammen, die Anzahl der Haltestellen in näherer Umgebung hingegen schon." Das könne bedeuten, dass Menschen eher bereit sind, etwas weitere Strecken zurücklegen, wenn sie mehrere Optionen haben und so zu einer Haltestelle kommen, die besser zu ihrer geplanten Route passt.

"Auch die Anzahl der lokalen Parks war wichtig, weil Parks nicht nur Orte darstellen, wo man Sport treiben kann, sondern auch eine angenehme Umgebung zum Spazieren bieten", sagt Sallis. Mit der Umstrukturierung von Städten könne man die sportliche Betätigung positiv beeinflussen. Daher sollten öffentliche Gesundheitsbehörden mit der Stadtplanung zusammenarbeiten, um Städte "aktivierender" zu machen, als sie es heute sind.

Das müsse allerdings nicht nur in Industrieländern eine Rolle spielen, sondern auch in Entwicklungsländern, so Shifalika Goenka von der indischen Stiftung für öffentliche Gesundheit. In einem Kommentar zur Studie schreibt sie, dass es in vielen Ländern an Einrichtungen mangelt, die in den Ländern der Studie als selbstverständlich gelten. "Dringend Aufmerksamkeit benötigt die Sicherheit und Priorität von Fußgängern, die Verfügbarkeit von ausreichend breiten, barrierefreien Gehwegen, Komfort und Sicherheit beim Radfahren und ausreichende Kapazitäten im öffentlichen Verkehr." (sic, 30.5.2016)