Trauerweide. Ein Baum als Grundstimmung: Menschen, die an Depressionen leiden, haben wenig Energie.

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Rund 17 Prozent der österreichischen Bevölkerung erkranken mindestens einmal im Leben an behandlungsbedürftigen Depressionen, darunter Eltern, Partner, der beste Freund. Die Symptome können für das direkte Umfeld stark belastend sein.

Depressionen werden auch als "Losigkeitssyndrom" beschrieben: Die Betroffenen sind lustlos, antriebslos, freudlos, kraftlos – und schlaflos. Die länger anhaltende Schlaflosigkeit ist eines der wichtigsten körperlichen Symptome zur Diagnostizierung der Krankheit.

Männer und Frauen sind auf unterschiedliche Art und Weise depressiv. Während Männer oft Aggressionen entwickeln und ihre Schlaflosigkeit mit Alkohol bekämpfen, neigen Frauen dazu, sich zurückzuziehen, nicht mehr zu kommunizieren und Beruhigungsmittel einzunehmen.

Profis fragen

Wenn der Partner häufig traurig erscheint und nicht mehr für Dinge zu begeistern, oder gar abweisend ist, können Beziehung und Familienleben stark beeinträchtigt sein, das bestätigt auch der Vorstandsvorsitzende der Nonprofit-Gesellschaft für psychische und soziale Gesundheit "pro mente", Werner Schöny: "Psychische Krankheiten und gerade Depressionen wirken sich stark auf Familie und Partnerschaft aus".

Sind Kinder im Spiel verschiebt sich deren Betreuung oftmals von zwei auf einen Partner. Finanzielle Belastungen erhöhen sich, wenn Arbeiten für Betroffene schwierig ist. Außerdem bedürfen Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen besonderer Aufmerksamkeit. Viele Hürden: Bei Verdacht auf diese Krankheit sollte sich jeder so schnell wie möglich an eine Beratungsstelle wenden.

Denn: Depressionen werden fälschlicherweise oft als Phase abgekanzelt, Betroffene als faul oder grantig wahrgenommen. Die Krankheit ernst zu nehmen, darüber zu sprechen und sich rechtzeitig Hilfe zu suchen, ist vor allem für diejenigen, die tief drin stecken, manchmal ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn man sich nicht selbst helfen kann, oder die Krankheit, wie häufig der Fall, tatsächlich nicht als solche wahrgenommen wird, kommen Angehörige und Freunde ins Spiel, die ihre Beobachtungen ansprechen können. Ein schlichtes: "Du wirkst traurig, kann ich dir helfen?" kann oft viel bewirken.

Nicht persönlich nehmen

"Information ist ganz wichtig und der erste Schritt", weiß auch Birgit Dorninger-Bergner vom Selbsthilfeverband HPE. "Wer informiert ist, kann die Situation realistischer einschätzen" und weiß, dass es beim Verhalten der Erkrankten nicht um Nicht-Wollen sondern um tatsächliches Nicht-Können geht.

Unterstützung und Motivation eines depressiven Partners verlangen großes Verständnis. Für Werner Schöny ist die Aufgabe des Partners bei depressiven Erkrankungen ein wahrer "Seiltanz zwischen Belastung, Motivation, Antriebsförderung, Rücksichtnahme, Einfühlsamkeit und Verständnis." Zurückhalten und gleichzeitig motivieren, dem Partner Stabilität und Liebe geben, etwaiges abweisendes Verhalten aber nicht persönlich nehmen – das klingt nicht gerade einfach.

Gerade deshalb ist es aber so wichtig, dass man sich nicht zu viel aufhalst: "Wichtig ist es, zu verstehen, dass man auf seine eigenen Ressourcen achten muss. Sich für die Krankheit des anderen nicht verantwortlich oder schuldig fühlen,sei besonders wichtig, sagt Schöny. "Angehörige können unterstützen und helfen, sollten allerdings nie vergessen, dass sie keine Therapeuten sind".

Wissen sammeln

Über Therapien wissen Fachärzte für Psychiatrie Bescheid. Wenn der Betroffene selbst nicht zum Arzt gehen möchte, können sich Angehörige beraten lassen, oft hilft dieser Schritt auch dem Erkrankten, weiß Schöny. Bei länger andauernden Depression sollten Angehörige auf ihre eigenen Ressourcen achten, sonst laufen sie selbst Gefahr, in ein Burn-out zu schlittern.

Ein schlechtes Gewissen, sind sich Experten einig, ist fehl am Platz – wer selbst keine Kraft mehr hat, kann auch nicht mehr helfen. "Da funktioniert das Bild aus dem Flugzeug: Zuerst sich selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen, dann den anderen", so Edwin Ladinser von HPE.

Das Delegieren von Aufgaben an Außenstehende oder andere Familienmitglieder, wie zum Beispiel das Auslagern der Kinderbetreuung an andere Angehörige oder das Organisieren einer Putzfrau gehören auch zu einem der ersten Schritte beim Versuch der Linderung einer depressiven Erkrankung. Wer gut informiert ist, kann den Partner unterstützen, weiß aber auch, dass manche Dinge in bestimmten Phasen der depressiven Erkrankung oder bei einer schweren Depression gar nicht möglich sind und frustriert nicht so schnell.

Feedback gut, Belehrung schlecht

Eine sanfte Motivation durch ihre Angehörigen und Freunde unterstützt den Heilungsprozess von depressiven Patienten. Dabei sollte ihnen aber nicht alles abgenommen werden, je nach Schweregrad der Depression sind zum Beispiel alltägliche Haushaltsdinge wie Teller-in-den-Geschirrspüler-räumen meist durchaus zumutbar: "Es geht darum, dass die Betroffenen wieder Normalität lernen", sagt Andreas Gruber, stellvertretender Bundesfachgruppenobmann Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin der österreichischen Ärztekammer.

"Mitleid ist eher schlecht, weil das wieder Schuldgefühle auslöst". Besser sei es, zum Beispiel zu Spaziergängen zu motivieren, weil das Wetter gerade schön ist. Oder zu sagen "Wir sitzen gerade alle am Tisch, es wäre schön wenn du auch zum Essen kommst." "Fordern aber nicht Überfordern", so Gruber.

Wer von Freunden und Angehörigen unterstützt wird und rechtzeitig Hilfe sucht, hat gute Chancen auf einen positiven Therapieverlauf. Dass es immer nur bergauf gehen wird, darf allerdings nicht erwartet werden, kleine "Dellen" im Therapieverlauf gehören dazu. Zur Hoffnung veranlassen die Heilungschancen: Bis zu 95 Prozent aller depressiven Erkrankungen können geheilt werden – sofern man sie rechtzeitig behandelt. (Johanna Schwarz, 29.5.2016)