Barfuß liegt im Trend. Die Schauspielerin Julia Roberts war in Cannes vor einigen Tagen sogar ohne Schuhe auf dem roten Teppich unterwegs.

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Den Großteil des Jahres fristen die Füße ein sicher verwahrtes Dasein in Schuhen. Nicht aber im Sommer: Dann dürfen sie endlich ein bisschen frische Luft schnappen – am Strand im warmen Sand oder im Garten im frisch geschnittenen oder noch taufeuchten Gras.

Immer mehr Menschen wollen das Barfußgehen stärker in ihren Alltag integrieren, berichtet Christina Lindner, Podologin beim Medizinzentrum Alser Straße: "Seit einiger Zeit häufen sich bei mir die Anfragen zu dem Thema." Von einem regelrechten "Modehype" spricht auch der Linzer Orthopäde Florian Dirisamer, den vor allem Läufer konsultieren, die ihren Lieblingssport barfuß ausprobieren wollen.

Denn genauso wie gesunde Ernährung immer wichtiger wird, wollen nun viele auch etwas für ihre Fußgesundheit tun: "Immer mehr Menschen erkennen: Wenn man die Fußmuskulatur trainiert, kann man sich viele Probleme im höheren Alter ersparen", sagt Lindner.

Waldspaziergang ohne Schuhe

Jene Menschen, die aber tatsächlich ihren gesamten Alltag ganz ohne Schuhwerk bewältigen, werden wohl weiterhin zu einer Minderheit gehören. Doch im Normalfall spricht nichts dagegen, beispielsweise bei einem Waldspaziergang zwischendurch einmal die Schuhe auszuziehen.

"Durch das Erfühlen des Untergrunds wird Rückmeldung an das Gehirn gegeben, was im Bewegungsablauf passieren soll", erklärt Dirisamer. Die Fähigkeit, den Untergrund zu erfühlen, sei bei vielen Menschen verloren gegangen. "Und das Wiedererlernen davon ist für das Körperempfinden absolut positiv."

Muskulatur stärken

Besonders gut eignen sich dafür Naturböden, erklärt Lindner. Dadurch würde die Muskulatur gestärkt und das Abrollverhalten des Fußes verbessert.

Doch auch wenn wir es von Kindesbeinen an machen: Barfußgehen will gelernt sein. "Man kann den Fuß überlasten, wenn man ihm plötzlich die Bettung entzieht", warnt Dirisamer. Er empfiehlt daher vorab eine fachärztliche Beratung, um Fußfehlstellungen festzustellen.

Auch eine langsame Umgewöhnung ist wichtig: "Es geht darum, mit einfachen Dingen zu beginnen: Dem bewussten Erfühlen des Untergrunds mit geschlossenen Augen zum Beispiel", so Dirisamer. Dafür gibt es sogar eigene Barfußparks oder -pfade, wo unterschiedliche Böden gefühlt werden können. Lindner empfiehlt als begleitende Maßnahmen zum Barfußgehen Fußmuskeltraining und Beinachsentraining.

Intensität langsam steigern

Ist der Anfang gemacht, dann sollte die Intensität in geringen Schritten – also beispielsweise Fünfminutenintervallen – erhöht werden. "Und man sollte keinesfalls täglich barfuß walken oder laufen", betont Dirisamer. Denn wer es übertreibt, könnte beispielsweise eine Sehnenüberlastung oder Probleme im Waden- und Schienbeinbereich riskieren.

Klar ist: Wer plötzlich vermehrt Barfuß geht, wird seine Füße anfangs anders spüren als sonst: "Der Fuß muss sich plötzlich deutlich mehr anstrengen", sagt Lindner. Denn während er im Schuh geschützt ist, muss er sich nun an unterschiedlichen Untergrund anpassen. Ein Muskelkater in der Waden- oder Oberschenkelmuskulatur sei daher völlig normal.

Doch nicht nur Überlastungen können im schlimmsten Fall auftreten: Auch die Hornhaut auf der Fußsohle ist durch das ständige Tragen von Schuhen dünn, was Verletzungen begünstigt, warnt Dirisamer.

Vorsicht bei Diabetes

Und tatsächlich ratsam ist das Barfußgehen keineswegs für alle: Menschen mit extremen Senkspreizfüßen hat oder Knickplattfußstellungen rät der Experte daher eher davon ab.

Auch bei unterschiedlichen neurologischen Erkrankungen oder Diabetes wird zur Vorsicht geraten, da diese Patienten an eingeschränkter Sensibilität an den Fußsohlen leiden können.

Der Orthopäde führt das wachsende Interesse am Barfußgehen und -laufen auf erfolgreiche afrikanische Marathonläufer zurück, die vor ihrer – von Laufschuhherstellern gesponserten Weltkarriere – oft barfuß gelaufen sind: "Aber diese Läufer sind im Gegensatz zu uns oft ihr ganzes bisheriges Leben barfuß gegangen", warnt Dirisamer.

Thema im Breitensport

Das Barfußlaufen sei eher Thema im Breitensport: "Da gibt es Leute, die auf jeden Trend aufspringen. Das ist die wirklich gefährdete Gruppe." Ambitioniertere Läufer wiederum würden an Barfußlaufen oder -gehen weniger Interesse zeigen, weil sie ihr funktionierendes System nicht gefährden wollen.

Auch Lindner rät Laufanfängern vom Barfußlaufen ab. Die Umstellung vom unterstützten Laufschuh hin zum Leichtschuh oder sogar bis zum Zehenschuh müsse schrittweise erfolgen. Im Laufalltag sei es wichtig, immer wieder unterschiedlich stark unterstützte Schuhe zu verwenden, um dem Fuß Abwechslung zu bieten und auf das Barfußlaufen vorzubereiten.

Egal ob Gehen oder Laufen: Dirisamer erachtet den fallweisen Verzicht auf Schuhe als Trainingselement. Aber eben nur in der richtigen Dosis: "Ich sehe nämlich ein bisschen die Gefahr, von einem Extrem in das andere zu rutschen." (Franziska Zoidl, 30.5.2016)