Hier geboren sein und in den Augen vieler doch ein Fremder oder eine Fremde sein; hier aufgewachsen sein und sich Österreich zugehörig fühlen, aber doch als Ausländer wahrgenommen werden: Diesen Gefühlsspagat kennen die jungen Muslime in dem Kurzfilm "Unter einem Himmel" nur zu gut. "Wir werden immer nur auf unsere Religion reduziert," sagt die 20-jährige Jusstudentin Serap. "Dabei ist die Religion nur ein Teil unserer Identität, wir sind so viel mehr als nur Musliminnen."

Mediale Verzerrung des Islam

Seit der Islam vermehrt in Zusammenhang mit Extremismus und Terror diskutiert wird, werden Muslime nicht selten in die radikale Schublade gesteckt. "Medial heißt es immer, islamistischer Terrorist oder radikale Moslems und so weiter. So als gäbe es über die Moslems nichts anderes zu berichten", beklagt der 16-jährige Schüler Burhan.

In den Einrichtungen der Wiener Jugendzentren wird häufig über die Berichterstattung über Muslime gesprochen. "Die muslimischen Jugendlichen sind unzufrieden, wie über ihre Religion gesprochen wird, viele sind durch die Zuschreibungen verunsichert", sagt Manuela Smertnik, pädagogische Bereichsleiterin der Wiener Jugendzentren. "Sie werden von allen Seiten bedrängt, sei es von Personen, die die Religion schlechtmachen, oder von Propagandavideos im Internet, in denen ihnen gesagt wird, wie sie als 'echte Muslime' zu leben haben."

derStandard.at

Spontane Dialoge

Die jungen Musliminnen und Muslime würden viel zu selten selbst zu Wort kommen, kritisiert Smertnik. Aus diesem Grund haben sich die Wiener Jugendzentren zusammen mit der Beratungsstelle Extremismus ein Projekt überlegt, in dem die muslimischen Jugendlichen sich selbst präsentieren können.

"Es hat sich schnell herauskristallisiert, dass ein Film das richtige Medium dafür wäre", sagt Smertnik. Die Filmemacher Christian Ariel Heredia und Stefan Haselgruber überlegten sich in der Folge ein Konzept, nach sieben Drehtagen war der Film im Kasten. "Uns war es wichtig, dass die Gespräche nicht geskriptet sind. Alle Dialoge, die im Film vorkommen, sind spontan während des Drehs so geäußert worden. Nur das Gedicht am Anfang des Films wurde von Serap vorgelesen", sagt Haselgruber.

Der Film ist in drei dramaturgische Akte unterteilt, im Intro wird Phil Bosmans' berühmtes Gedicht "Das ist der Sinn" vorgelesen. In Bildern sieht man Aufnahmen von Darstellern und Filmcrew, die die Worte untermalen und verstärken, hin zum Höhepunkt des Gedichts, in dem es heißt:

"Alles das ist da

für das unvorstellbare Wunder,

dass es so viel wunderbare Menschen um mich gibt.

Warum begreife ich dann nicht,

dass ich für die Freude gemacht bin."

Verein Wiener Jugendzentren

Mehr als nur Muslime

In der Folge stellen sich vier der fünf Protagonisten in Kurzporträts vor. Erzählen von ihren Träumen, Hoffnungen und Zielen und schaffen es auf diese Art, ihre eigene Vielfalt wie auch die Vielfalt unter den Musliminnen und Muslimen den Zusehern zu vergegenwärtigen. Mit nur wenigen Sätzen werden dem in Österreich negativ aufgeladenen Wort "Muslim" Biografien hinzugefügt, die die negativen Konnotationen infrage stellen.

In politisch turbulenten Zeiten verdeutlicht der Film damit, wie wichtig es ist, Personen, über die geurteilt wird, auch zu Wort kommen zu lassen. "Wenn immer nur über Musliminnen und Muslime gesprochen, ihnen aber selbst keine Möglichkeit eingeräumt wird, sich zu präsentieren, führt das zwangsläufig zu einer verengten Wahrnehmung über die Musliminnen und Muslime und den Islam", sagt der Schauspieler Fahin.

Debatten am runden Tisch

Im letzten Akt sitzen die Protagonistinnen und Protagonisten an einem Tisch und unterhalten sich lebhaft über ihre angestrebten Berufe und deren gesellschaftliche Bedeutung – bis die Vorurteile ins Spiel kommen, denen diese Jugendlichen ausgesetzt sind. Der Film endet abrupt und regt so zum Nachdenken und Diskutieren an.

Nichts anderes hatten die Filmemacher beabsichtigt: "Das ganze Projekt hatte zum Ziel, während des Projekts, aber auch danach Diskussionen unter den Jugendlichen, aber auch zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den MuslimInnen anzuregen", sagt Manuela Smertnik. (Siniša Puktalović, 26.5.2016)