Vor einem halben Jahr war Tomislav Karamarko (im Bild nach dem Sieg seiner Partei bei der Parlamentswahl am 8. November 2015) in Feierlaune. Diese ist ihm mittlerweile vergangen.

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Die Regierung des parteilosen kroatischen Ministerpräsidenten Tihomir Orešković fährt im Eiltempo ihrem Ende entgegen. Der jüngste Schritt im Selbstzerstörungsdrama der Koalition, die erst seit Jänner im Amt ist, kam vom kleineren Koalitionspartner Most: Dort befürwortet man die Amtsenthebung des konservativen Vizepremiers Tomislav Karamarko, Chef des größeren Regierungspartners HDZ. In Zagreb glaubt kaum noch jemand, dass das Zweckbündnis überleben wird.

Das Amtsenthebungsverfahren gegen Karamarko wurde von den oppositionellen Sozialdemokraten angestrengt. Noch ist unklar, ob der Antrag die notwendigen 76 Stimmen im Parlament bekommen wird. Prinzipiell geht es um Interessenkonflikte, die Vizepremier Karamarko im Zusammenhang mit seiner Frau Ana Šarić-Karamarko vorgeworfen werden: Laut Zeitschrift Nacional habe sie von Josip Petrović, Lobbyist des ungarischen Mineralölkonzerns Mol, 60.000 Euro für Beratungstätigkeiten bekommen. Seit Jahren gibt es zwischen Kroatien und der Mol einen erbitterten Streit um Einflusssphären im Aufsichtsrat, die weit in die Politik hineinreichen.

Verkauf als Sakrileg

Die HDZ sprach sich jüngst dafür aus, weitere Teile des kroatischen Energiekonzerns Ina an die Mol zu verkaufen. Auf jeden Fall wollte man das internationale Schiedsverfahren aussetzen. Nun sieht es so aus, als habe das Geld für Frau Šarić-Karamarko damit etwas zu tun. Für viele Kroaten, und offenbar auch für Most, ist das Unternehmen Ina aber so etwas wie ein Nationalheiligtum: Ein weiterer Verkauf gilt als Sakrileg. Most hat sich zudem als Antikorruptionspartei präsentiert; die Zustimmung zum Amtsenthebungsverfahren ist für die Glaubwürdigkeit der Partei wichtig.

Most-Chef und Vizepremier Božo Petrov sagte am Freitag: "Most steht fest zur Regierung, kann aber niemals Karamarko unterstützen, der im Moment für die Regierung eine große Bürde ist. Die kroatische Regierung wird nicht von einem einzelnen Mann gemacht; sie kann ohne Karamarko und ohne mich überleben", legte er indirekt den Rücktritt des HDZ-Chefs nahe. Wahrscheinlicher als ein Rücktritt Karamarkos ist aber das Ende der Regierung.

Schwierige Lage

Viele Kroaten rechnen mit Neuwahlen bereits im September. Die HDZ versucht nun, einige Most-Politiker, Minderheitenvertreter und sogar Sozialdemokraten zu "überzeugen", doch nicht für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens zu stimmen. So könnten etwa die Liberalen (IDS) für Karamarko stimmen.

Man darf auch davon ausgehen, dass die HDZ alles versuchen wird, den kleineren Koalitionspartner zu schwächen. Wichtig dürfte der Bericht werden, den die Kommission zur Verhinderung von Interessenkonflikten bald veröffentlichen soll.

Die Vorwürfe gegen den stellvertretenden Regierungschef sind jedenfalls pikant: Karamarko habe 2004 und 2005 laut Nacional sogar selbst Geschäftskontakte zu Josip Petrović gepflegt: Denn dieser war, bevor er Mol-Lobbyist wurde, in der Geschäftsführung der Ina tätig. Karamarko war zu diesem Zeitpunkt Geheimdienstchef.

Doch obwohl Karamarko nun in Richtung Most ausrichten ließ, dass der Koalitionspartner auf dünnem Eis spaziere, scheint er selbst massiv angeschlagen. Der Mann galt niemals als charismatischer Parteichef und ist auch nicht populär. In Zagreb nennen ihn viele "dead man walking".

Es kracht in der Regierung

In der Koalition kracht es bereits seit Wochen. Der kleinste gemeinsame Nenner ist schon lange nur noch: Ohne den anderen kann man nicht, weil es dann ganz einfach keine Parlamentsmehrheit gäbe. Besonders gestritten wird über die Reformen im Sicherheitsbereich. Most war es von Anfang an ein zentrales Anliegen, die administrativen Einheiten zu verringern. Die HDZ hat – insbesondere wenn es um die Polizei geht – aber große Sorge, dass sie in den Gespanschaften (Komitaten) an Einfluss verlieren könnte. Die Grundbedingung für Most, überhaupt in die Koalition mit der HDZ zu gehen, war aber, dass sie das Justiz- und Innenministerium übernehmen durfte.

Kroatien leidet nicht nur seit 2008 unter einer Wirtschafts-, sondern seit Jahren auch unter einer Vertrauenskrise der Bevölkerung. Viele Menschen schütteln nur den Kopf, wenn sie etwas von Politik hören. Deshalb haben bei der vergangenen Wahl im November auch viele der Neopartei Most ihre Stimme gegeben. (Adelheid Wölfl, 30.5.2016)