Fehlende Betreuerinnen in Kindergärten: Individuelle Förderung der Kinder fällt immer wieder flach.

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Wien – Die Frauen wissen oft nicht, wo ihnen der Kopf steht. "Man redet gerade mit Eltern, dann streiten zwei, der eine weint, der andere hat in die Hose gemacht", erzählt eine: "Was hat jetzt Vorrang?" Sie stehe mitunter allein mit 14 Kindern da, berichtet eine andere, "da können manche nicht essen, ich muss aber wickeln, muss die Betten wegräumen." Eine Dritte sagt: "Ich müsste Gott sein, um allen gerecht zu werden."

Die drei Berufskolleginnen arbeiten in einer Institution, von der die Gesellschaft viel verlangt. Kindergärten sollen – so die Theorie – den Nachwuchs nicht bloß verwahren, damit Eltern arbeiten können, sondern für die Schule und das restliche Leben rüsten und dabei noch sprachliche wie soziale Handicaps ausgleichen.

Doch haben die Betreuerinnen – es handelt sich hauptsächlich um Frauen – überhaupt die Chance, diese Ansprüche einzulösen? In einer neuen Studie im Auftrag der Arbeiterkammer haben das Institut für Familienforschung und das Institut für Kinderrechte und Elternbildung die Arbeitsbedingungen in heimischen Kindergärten und -krippen untersucht – mit beunruhigenden Ergebnissen.

Schauen, dass nichts Gröberes passiert

Was viele der in Wien, Niederösterreich, Kärnten und Tirol befragten Pädagoginnen und Assistentinnen empfinden: großen Stress wegen Personalmangels. In Wiener Kindergärten etwa kommen auf eine Arbeitskraft bis zu 17 Drei- bis Sechsjährige – zu viel, um sich den Schützlingen gezielt zu widmen, so die Kritik. An die ständig eingeforderte individuelle Förderung sei bei Vollbesetzung nicht zu denken, sagt eine Betreuerin, man schaue eher nur, dass "nichts Gröberes" passiert – "und wartet, dass der Tag vorbei ist". Eine andere erzählt: An manchen Tagen gelinge es ihr nicht, zu einzelnen Kindern mehr als "Hallo" und "Pfia di" zu sagen.

In Tirol, Kärnten und Niederösterreich ist das Betreuungsverhältnis mit 1:10 bis 1:12 besser als in Wien – jedoch bei kürzeren Öffnungszeiten und mehr Schließtagen. Was die Mindeststandards in der Realität wert sind, hängt überdies von der Praxis ab. Von Standort zu Standort gibt es laut Studie große Unterschiede, wie viel Zeit die Assistentinnen tatsächlich für die Kinder haben. So manche Betroffene fühlt sich auf die Rolle der Haushälterin reduziert. "Ich habe die komplette Putzarbeit über", beklagt eine Betreuerin, andere räumen Schnee, streichen Wände oder lackieren Gartenhäuser.

Unterlaufene Standards

Unterlaufen würden die Standards gerade auch dann, wenn Pädagoginnen ausfallen. Obwohl Assistentinnen in vier Bundesländern nicht einmal zu einer Ausbildung verpflichtet sind, ist es laut Studie "üblich", dass diese ganze Kindergruppen führen. Mancherorts geschehe dies wegen chronischen Personalnotstands offenbar auch über einen längeren Zeitraum.

Gleichzeitig würden an Kindergärten immer höhere Ansprüche gestellt, etwa wenn wieder ein Pisa-Leistungstest an den Schulen in die Hose gehe. "Wir müssen Sprachförderung machen, bekommen aber keine Mittel, keine Ausbildung, kein zusätzliches Personal", klagt eine Kindergärtnerin. Das gelte, so einige Stimmen in der Studie, gerade auch für jene Kinder, die anfangs "kein Wort Deutsch" verstehen.

Was Betreuerinnen noch fordern: eine praxisnähere Ausbildung und großzügigere Räumlichkeiten, in die man die Kinder nicht "reinschlichten" müsse.

Eine Frechheit von Entlohnung

"Eklatante Qualitätsmängel" liest Arbeiterkammer-Expertin Sybille Pirklbauer aus der Studie heraus: "Da gibt es viel Luft nach oben." Zentrale Forderungen: einheitliche Standards, kleinere Kindergruppen mit mehr Fachkräften, Ausbildung auf Hochschulniveau und ein höheres Gehalt, das sich wie in anderen Ländern an dem der Lehrer orientiert.

Beim Einstieg verdienen Kindergartenpädagoginnen laut AK von 1.920 bis 2.130 Euro – eine "Frechheit" angesichts der Verantwortung und der Probleme, die man "mit nach Hause" nehme, findet eine Betreuerin. Es heiße ja, Kinder seien das größte Gut, sagt eine andere: "Nach unserer Entlohnung und Anerkennung glaubt man es eher nicht." (Gerald John, 1.6.2016)