Der Asylwerber wird von vier Männern aus dem Supermarkt in Arnsdorf gezerrt.

Foto: Screenshot/youtube.com

Arnsdorf/Wien – In der sächsischen Gemeinde Arnsdorf hat eine angebliche Bürgerwehr einen irakischen Asylwerber aus einem Supermarkt gezerrt, ihn geschlagen und schließlich mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt. Das berichtete die "Sächsische Zeitung" am Donnerstag unter Berufung auf die Polizei.

Der Vorfall, der sich laut der Polizei Sachsen bereits am 21. Mai ereignete, wurde erst jetzt durch ein vor allem von rechtsextremen Kreisen über soziale Netzwerke verbreitetes Video einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Zu sehen ist, wie der 21-jährige Iraker an der Kassa eines Supermarkts steht und eine Flasche in seiner rechten Hand hält. Die Kassierin fordert ihn mehrere Male auf, die Flasche wieder hinzustellen und zu gehen. Als er das nicht macht, erscheinen vier Männer – drei davon schwarz gekleidet –, packen den Asylwerber und führen ihn Richtung Ausgang. Als er sich wehrt, stoßen und schlagen sie ihn, schreien ihn an: "Was willst du von mir?" Am Ende des rund zweieinhalbminütigen Videos sagt die Kassierin: "Schon schade, dass man eine Bürgerwehr braucht, oder?"

Das Video des Vorfalls in Arnsdorf.
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In sozialen Netzwerken wird der Vorfall mitunter so dargestellt, als habe der Asylwerber etwas gestohlen. Das schloss die Polizei Sachsen aber dezidiert aus. Der Exekutive zufolge ist er im Sächsischen Krankenhaus Arnsdorf untergebracht, einer psychiatrischen Klinik. Er habe offenbar Probleme mit einer Telefonwertkarte gehabt, die er einen Tag zuvor in dem Supermarkt gekauft hatte. Zweimal sei er deshalb an jenem 21. Mai schon in der Filiale gewesen, beide Male wurde die Polizei gerufen, die ihn zurück ins Spital brachte.

Guthaben der Telefonkarte aufgebraucht

Beim dritten Mal schließlich, gegen 18 Uhr, sei es dann zu dem Vorfall gekommen, der auf dem Video festgehalten wurde. Die Polizei beschrieb es folgendermaßen: "Aus Zeugenvernehmungen des Verkaufspersonals ist ersichtlich, dass die Filialleiterin den Sachverhalt geprüft und dabei festgestellt hatte, dass das Guthaben der Telefonkarte bereits aufgebraucht worden war. Der Mann soll in Rage geraten sein, eine Flasche Wein aus einem Regal genommen und damit die Filialleiterin sowie eine Mitarbeiterin bedroht haben."

Laut Polizeibericht wurde die Exekutive um 18.52 Uhr per Notruf alarmiert. Die Beamten fanden den Iraker mit Kabelbindern gefesselt an einem Baum auf dem Parkplatz des Supermarkts. Die Männer von der mutmaßlichen Bürgerwehr gaben an, ihn zur Abwehr einer Gefährdungssituation festgehalten und an einer Flucht gehindert zu haben. Die Polizei forderte sie auf zu gehen – ohne ihre Personalien aufzunehmen.

CDU-Politiker involviert

Nun ermittelt die Polizei gegen den Asylwerber wegen des Verdachts der Bedrohung und gegen die Männer wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung. Auch der Staatsschutz wurde eingeschaltet.

Ob die vier Männer tatsächlich zu einer Bürgerwehr gehören, ist noch nicht geklärt. Gesichert ist aber, dass einer von ihnen CDU-Politiker ist und im Gemeinderat sitzt. Laut der "Sächsischen Zeitung" hat Detlef Oelsner im vergangenen Jahr für das Bürgermeisteramt kandidiert. Angesprochen auf den Vorfall sagte er der Zeitung: "Wir haben Zivilcourage gezeigt und hätten das bei jedem anderen ebenfalls getan, auch wenn es ein Deutscher gewesen wäre." Die Polizei sei am Mittwoch bereits bei ihm gewesen.

Der Supermarktbetreiber Netto erklärte auf seiner Facebook-Seite, dass die Personen mit den schwarzen T-Shirts und dem Aufdruck "Bürgerwehr" von keinem Mitarbeiter gerufen worden seien. Das im Video gezeigte Verhalten, heißt es weiter, "widerspricht unseren Unternehmensvorgaben und wird von Netto Marken-Discount in keiner Weise gebilligt". (ksh, 2.6.2016)