Wissenschafter warnen davor, Menschen einer Altersgruppe in einen Topf zu werfen. Es gelte, eine Generation in ihrer Vielfalt darzustellen.

Foto: iStock

Sie ist eine Vertreterin der sogenannten Generation Y – der heute 18- bis Anfang-30-Jährigen – und gleichzeitig eine ihrer größten Kritikerinnen: Nicole Alexy, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität der Bundeswehr München. Ihrer Alterskohorte wird zugeschrieben, sie sei egozentrisch, auf Flexibilität und Freizeit aus, suche Sinn im Job. Das erstaune und verwirre Personalverantwortliche gleichermaßen.

Dass Präferenzen einer ganzen Generation zugeordnet werden könnten, stieß Alexy sauer auf – und die 26-Jährige beschäftigte sich in ihrer kürzlich fertiggestellten Masterarbeit "Millennials at work" wissenschaftlich mit ihrer Zunft. Was ist nun dran am Generationenkonzept?

Verhältnisse prägen

Eine gewisse Grundstimmung in einer Alterskohorte, da sind sich Soziologen wie Psychologen einig, sei gewiss auszumachen. Gesellschaftliche Entwicklungen und ein bevorzugter Erziehungsstil würden diese Tendenzen hervorbringen.

Die "Ypsiloner" beschreibt der deutsche Sozialwissenschafter Klaus Hurrelmann etwa als eine Generation der Krise, aufgewachsen in der Zeit zwischen Terroranschlägen und einer schlechten wirtschaftlichen Situation. Für sie sei nichts mehr planbar, nichts mehr vorhersehbar, nichts mehr gewiss.

Tatsächlich ist der Berufseinstieg für junge Menschen heute schwieriger: Fair bezahlte und hochwertige Jobs, sagt die OECD, seien insbesondere für junge Arbeitnehmer seltener geworden. Immer mehr Einsteiger erhalten nur noch befristete Verträge. Das führt zu einer gewissen Unsicherheit und verlangt Flexibilität und Mobilität.

Zudem wurden die heute 18- bis 30-Jährigen anders erzogen, haben eine andere Position in ihren Familien. Franz Oberlehner, klinischer Psychologe und Psychotherapeut in Wien, sagt dazu: Während früher Kinder weniger im Mittelpunkt standen und sich mit ihren Bedürfnissen hintanstellen mussten, seien sie heute häufig "eine Art Lebensinhalt" für ihre Eltern. Das erzeuge Selbstvertrauen.

Milieus, keine Generationen

Von diesen allgemeinen Trends abgesehen, seien Generationen aber äußert heterogen, sagt Jungforscherin Alexy dem STANDARD. Gültige Aussagen ließen sich nicht für eine gesamte Generation treffen. In den meisten Studien über die Generation Y würden einzelne Phänomene, kleine Unterschiede bewusst überstrapaziert, kritisiert Alexy. Der Grund dafür: "damit etwas Publizierbares herauskommt." Etwas, das Komplexität reduziere und Orientierung – auch für Personalverantwortliche und Führungskräfte – schaffe. Und im Idealfall neu ist.

Darüber hinaus, sagt Alexy, beschreiben die meisten Studien eigentlich keine Generationen, sondern Milieus: Ausschließlich "gut ausgebildete, behütete" Junge werden gefragt. "Man muss sich also anschauen, wer diese Studien in Auftrag gegeben hat und was das Ziel war."

Thomas Schneidhofer, Professor an der Privatuniversität Schloss Seeburg in Salzburg, einer der führenden Experten zum Thema "Generation Y" in Österreich, stimmt selbstkritisch zu: "Die meisten Studien sind Bobo-Literatur", beschreiben also nur die Bildungselite. So sei es nicht verwunderlich, dass einige von Unternehmensberatungen oder an Hochschulen durchgeführte Untersuchungen nachweisen, dass Junge Karriere und Leben selbstbewusst planen – Sinn und ausreichend Auszeiten inklusive.

Dieser Kohorte der "High Potentials" stehe aber noch eine Gruppe gleichen Alters gegenüber. Sie gehe mit einem einfachen oder mittleren Schulabschluss in die Arbeitswelt – und komme in der öffentlichen Diskussion über die Generation Y zu kurz, weil nur nach künftigen Führungskräften geschielt werde.

Der Wiener Soziologe Fran Osrecki, der seine Dissertation zum Thema Zeitdiagnostik verfasste, beschrieb in einem Interview für das Jugendmagazin "Vice" ein weiteres Grundproblem: Um zu beweisen, dass Junge heute gewisse Eigenschaften haben, müsste man erst beweisen, dass Junge früher diese nicht hatten. Das könne man aber nicht leisten, sagt wiederum Experte Schneidhofer. Vergleichbare Studien würden noch nicht lange genug durchgeführt.

Wertewandel im Alter

In welcher Lebensphase jemand ist, habe zudem viel stärkeren Einfluss. Alexy: "Wenn jemand zum Beispiel gerade eine Familie gründet, prägt das seine Einstellung zum Beruf viel mehr." So verändern sich Prioritäten über die Jahre. "Das war nie anders", sagt Schneidhofer.

Wie die Baby-Boomer (etwa 1945 bis 1965 Geborene) habe auch die Generation X (etwa 1965 bis 1980 Geborene) irgendwann ihren Lebensstil geändert. "Das wird jetzt genauso sein." Möglicherweise seien die Vertreter der Generation Y als 50-Jährige also auch "unproduktive Sesselkleber", sagt der Forscher.

Dass sich Werte im Alter wandeln, prognostiziert auch Markus Reitzig, Managementprofessor an der Universität Wien, in einem Gespräch mit dem deutschen Wirtschaftsmagazin "brand eins": "Wenn heute 20-Jährige in Umfragen sagen, ein vielfältiges Aufgabenfeld, Sinnhaftigkeit oder Familie seien ihnen wichtiger als ein gutes Gehalt oder Aufstiegsmöglichkeiten, hat das zunächst nicht viel zu bedeuten."

Die "Notwendigkeit der schnöden Dinge" habe diese Generation noch vor sich. Werden die Kinder größer, müssten die Wohnung und das Auto mitwachsen, werde die Endlichkeit der eigenen Arbeitskraft fühlbar. Steige der Wunsch nach Sicherheit, würden auch für die Generation Y "altbackene" Werte wieder an Wichtigkeit gewinnen.

Wie lange will Nicole Alexy noch als Wissenschafterin arbeiten? Das könne sie momentan noch nicht abschätzen, sagt die 26-Jährige. "Jetzt bin ich noch jung, jetzt kann ich flexibel sein und arbeiten, was mir Spaß macht. Es stellt sich aber die Frage, wie lange ich das mit meinem persönlichen Lebenskonzept vereinbaren kann."

Die "Zetter" im Anmarsch

Dabei hat laut Trendforschern schon die Nachfolgegeneration, die "Generation Z", die Bühne betreten. Die Vertreter dieser Gruppe machen zwar gerade erst den Führerschein, rüsten sich angeblich aber schon für das Berufsleben. Über sie heißt es, sie seien smarter als die Ypsiloner, noch stärker auf ihre eigenen Ziele fokussiert und keine Teamplayer. Eine alte Zuschreibung für noch Jüngere. (Lisa Breit, 5.6.2016)