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Tihomir Oreskovic denkt nicht an Rücktritt.

Foto: Reuters/Bronic

Zagreb – Die kroatische Regierung unter der Führung des parteilosen Premiers Tihomir Oreskovic steht endgültig vor dem Ende. "Herr Oreskovic genießt unser Vertrauen nicht mehr", sagte der HDZ-Chef und Vizepremier Tomislav Karamarko bei einer Pressekonferenz am Freitag, nachdem er vom Regierungschef zum Rücktritt aufgefordert wurde. Seinen eigenen Rückzug lehnte der Chef der größten Regierungspartei ab.

"Es wäre gut, wenn Oreskovic als Premier zurücktreten würde", sagte Karamarko und kündigte an, dass die HDZ-Führung am Samstag über weitere Schritte beraten wird. Als mögliche Lösungen sieht er entweder eine neue Zusammensetzung der Regierungskoalition oder Neuwahlen.

"Nicht glaubwürdig"

Karamarko neigt zu einer neuen Koalition. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem jetzigen Koalitionspartner Most lehnt er allerdings ab. "Most erwies sich nicht als ein glaubwürdiger Partner", sagte der HDZ-Chef und kritisierte, dass sich der Juniorpartner die ganze Zeit als Opposition verhalten hat. Nach dem engen Wahlergebnis bei der Parlamentswahl im November 2015 hat die kleine Reformpartei als Königsmacher der HDZ zurück an die Macht verholfen.

Die fragile Beziehung zwischen den Koalitionspartnern zerbrach, nachdem Most angekündigt hat, einen Misstrauensantrag der Opposition gegen Karamarko unterstützen zu wollen. Most-Chef Bozo Petrov betonte am Freitag erneut, dass seine Partei weiterhin beim Rücktritt von Karamarko wegen seiner persönlichen Kompromittierung insistiere. Der HDZ-Chef geriet wegen Geschäftsverbindungen seiner Ehefrau unter Korruptionsverdacht.

Neue Perspektive

Der Premier rief am Freitag auch Petrov zum Rücktritt vom Posten des Vizepremiers auf. Er wäre dazu bereit, wenn dies eine Bedingung zur Normalisierung der Situation wäre, sagte Petrov am Freitagnachmittag und fügte hinzu, dass die endgültige Entscheidung bei der Most-Führung liege.

Der spätere Auftritt von HDZ-Chef gab der ganzen Situation eine neue Perspektive. Die Tatsache, dass die größte Regierungspartei dem von ihr bestellten Premier das Vertrauen entzog, wird von politischen Beobachtern als sein Ende an der Regierungsspitze gedeutet.

Dem parteilosen Premier wurde immer wieder vorgehalten, dass er keine politische Macht besitzt. Darauf machte am Freitag auch Karamarko aufmerksam, indem er den Aufruf des Premiers als "Salto mortale". Er erinnerte daran, dass die HDZ der Wahlsieger ist und dass Oreskovic erst dann zum Premier aufgestellt wurde, nachdem sich die HDZ und Most darauf geeinigt haben.

Laut Beobachtern ist die kroatische Regierung de facto schon gestürzt. Die Frage ist jetzt nur, ob es die HDZ schaffen wird, eine neue Mehrheit im Parlament zusammenzustellen. Nach den Wahlen war das ohne Most nicht möglich gewesen, seither haben sich die Machtverhältnisse ein wenig durchgemischt. Allerdings nicht genug, damit die HDZ eine stabile Regierung bilden könnte. Daher neigt die überwiegende Meinung in Kroatien derzeit zu den Neuwahlen. (APA, 3.6.2016)