Kanzler Christian Kern beim Parteitag der SPÖ Kärnten in Klagenfurt am Samstag.

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Landeshauptmann Kaiser und sein Parteitagsergebnis.

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Klagenfurt – Es ist eine Art Heimspiel für Christian Kern: Der Bundeskanzler hat einen Zweitwohnsitz in Kärnten, er wird von seinen Kärntner Genossen als einer der ihren gesehen – und dennoch wie ein Popstar gefeiert. Mit entsprechender Lockerheit stellt er sich auch auf die Bühne, legt sein Manuskript auf das Rednerpult, kehrt aber kaum an dieses zurück. Vielmehr geht er locker auf der Bühne auf und ab, redet frei.

Und er weiß anscheinend, was die Leute hören wollen: Lob für die Landespartei und den Landeshauptmann Peter Kaiser – "Kärnten ist ein phantastisches Land, ich bin froh, dass Ihr es nicht den Blauen überlassen habt."

Kärnten als Vorbild

Vom Besonderen ins Allgemeine, zum Zustand der Bundespartei: "Ja, die letzten Jahre waren keine besondere Erfolgsgeschichte, außer in Kärnten. Ich bin überzeugt, dass es unsere Aufgabe ist, das Land nicht dem billigen Populismus zu überlassen."

Kern beschwört die Phantasie der Parteibasis – die Kärntner Landespartei hat mit ihrer Programmdiskussion unter dem Titel "Vorwärts" einen programmatischen Leitantrag zur Umverteilung beschlossen. Er verwirft die Idee, dass derjenige, der Visionen hat, einen Arzt brauche, sondern sagt im Gegenteil: Derjenenige, der heute keine Visionen habe, brauche bald einen Arzt.

Kerns Agenda für die SPÖ

Dabei schlägt er selbst einige ideologische Pflöcke ein: Angesichts von Produktivitätsfortschritten müsse Arbeit neu verteilt werden – "Das Thema Arbeitszeitverkürzung wird auf die Agenda kommen." Das wird dem Koalitionspartner ÖVP nicht gefallen. Aber das ist von Kern einkalkuliert: "Die Menschen brennen nicht für Kompromisse, sie brennen für die Haltungen" Daher dürfe die SPÖ nicht gleich mit Kompromissangeboten in Verhandlungen gehen.

Sattdessen müsse sie klar für die Umverteilung von Einkommen und Vermögen eintreten.

Kern räumt ein, dass Österreich schlecht beraten wäre, wenn es die Steuer- und Abgabenquote weiter erhöhen würde. Aber es müsse die Arbeit weiter steuerlich entlastet werden, wohingegen die SPÖ die Besteuerung von Vermögen durchsetzen müsse. Österreich habe die niedrigste Besteuerung von Vermögen in Europa, in konservativ regierten Ländern wie Großbritannien sei sie höher "und das regt keinen auf".

Kritik an Google, offenes Ohr für den Wirt

Vielmehr müsse man auf die Menschen im Land hören: "Mein Wirt in Radenthein hat mehr Mitarbeiter und zahlt mehr Steuern in Österreich als der Weltkonzern Google." Er rede da nicht über "links-linke Ideologie, sondern über einen vernünftigen Zugang zur Wirtschaft."

Landeshauptmann Peter Kaiser unterstützte das: "Wir brauchen jetzt Taten. Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist nahezu High Noon. Wir haben Euren Protest verstanden – wir alle brauchen jetzt Menschen, die bereit sind, Farbe zu bekennen." Die Menschen müssten sich an dem orientieren, was die Sozialdemokraten wollen – das gelte auch für allfällige Koalitionspartner. Es schließe ein Bekenntnis zur Europäischen Union ebenso ein wie zu Menschenrechten.

Dallingers Idee aufgegriffen

Unterstützung gab es auch für Kerns Bekenntnis zu einer Wertschöpfungsabgabe – eine Idee, die der damalige Sozialminister Alfred Dallinger zu Beginn der 1980er Jahre (sehr zum Ärger von Wirtschaft und ÖVP) in die politische Diskussion gebracht hatte. Kern: "Man mag das Maschinensteuer nennen – für die müssen wir uns engagieren."

Kaiser, der am Samstag mit 99,36 Prozent als Kärntner SPÖ-Parteivorsitzender bestätigt worden ist, griff in seiner Rede dann auch die ÖVP-Parole auf, dass es einen klaren betragsmäßigen Unterschied zwischen Mindestsicherung und Lohneinkommen geben müsse. Dazu bekenne er sich. Aber im Unterschied zur ÖVP gehe es für die SPÖ nicht um eine Senkung der Sozialleistungen, sondern um höhere Löhne.

"Mut zur Verwegenheit"

Beinahe gleichlautend waren die Aufrufe Kaisers und Kerns, die Sozialdemokratie müsse mehr Selbstbewusstsein und mehr Führungskraft zeigen – in den Worten des Kanzlers: "Wir müssen eine Politik betreiben, die die Hoffnung nährt; und nicht die Ängste. Der Countdown für ein besseres Österreich hat begonnen. Wir werden gewinnen, wenn wir den Mut zur Verwegenheit haben." (Conrad Seidl, 4.6.2016)