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Die HDZ entzog dem parteilosen Premier Tihomir Orešković das Vertrauen, er will aber nicht zurücktreten. Nun droht die Abberufung Oreškovićs im Parlament – und weiteres Chaos in der kroatischen Politik.

Foto: REUTERS/Antonio Bronic

Zagreb/Sarajevo – Die Regierung ist tot, der Machtkampf geht weiter. Freitagabend hat der Chef der größten kroatischen Parlamentspartei, HDZ (Kroatische Demokratische Union), Tomislav Karamarko, die Koalition mit der Neo-Partei Most unter Božo Petrov platzen lassen und gleichzeitig auch dem parteiunabhängigen Premier Tihomir Orešković das Vertrauen entzogen. Dieser will aber nicht zurücktreten. Deswegen könnte die HDZ nun die Abberufung von Orešković einleiten.

Offensichtlich müssen alle gehen außer der, dessen Rücktritt von den meisten gefordert wird: Karamarko hält eisern an der Macht fest, während Kroatien ins Chaos stürzt. Der Hintergrund: Karamarkos Ehefrau hatte von einem Lobbyisten des ungarischen Mineralölkonzerns Mol ein Beratungshonorar über 60.000 Euro bekommen. Die Sozialdemokraten initiierten daraufhin Mitte Mai ein Amtsenthebungsverfahren ge gen Karamarko, weil sich Kroatien seit Jahren in einem Streit mit der Mol befindet. Der Verdacht war aufgekommen, dass Karamarko sich durch das Geld der Ehefrau in einen Interessenkonflikt hineinmanövriert habe.

Auch Most für Amtsenthebungsverfahren

Die Partei Most – obwohl Koalitionspartner der HDZ – beschloss vergangene Woche, ebenfalls für das Amtsenthebungsverfahren gegen Karamarko zu stimmen. Daraufhin zerstritten sich die beiden Vizepremiers Karamarko und Petrov vollends. Am Freitag stellte Orešković schließlich Rücktrittsforderungen. "Die Beziehungen zwischen Karamarko, Petrov und mir sind eine zu große Bürde für Kroatien geworden. Ich habe mich bemüht, ihre Beziehungen zu reparieren, aber das war unmöglich. Deshalb fordere ich Karamarko und Petrov auf, ihre Verpflichtungen aufzugeben."

Die Aufforderung fasste Karamarko aber offenbar als eine Art Majestätsbeleidigung auf. "Dieses Ringelspiel war zu viel", so Karamarko. Offenbar hatte der HDZ-Chef aber nur auf einen Anlass gewartet, aus der ungeliebten Koalition auszusteigen, denn nun will er ohne Most nach neuen Mehrheiten im Parlament suchen. Hinter den Kulissen laufen die Gespräche dazu bereits seit einiger Zeit.

"Keine Liebe für Kroatien"

Der geschasste Koalitionspartner zeigte sich weiterhin selbstbewusst und kritisch. Petrov erinnerte daran, dass die HDZ in ihrem Namen das Wort "Demokratie" trage. Deshalb solle sie zeigen, dass sie auch demokratisch sei und nicht von einem "Pharao" geführt werde, einer "einzelnen Person, die entscheidet, was im Staat geschieht". "Uns liegt Kroatien immer am Herzen und nicht in der Tasche", sagte er. Wenn Karamarko wirklich ein Patriot wäre, hätte er angesichts der Affäre um das Geld der Ehefrau sofort zurücktreten müssen, so Petrov. "Dies ist keine Liebe für Kroatien, sondern nur ein Schutz für eine Person."

Im Hintergrund geht es tatsächlich um die finanzielle Situation des Landes, das seit 2008 in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise steckt: Vergangene Woche scheiterte Kroatien daran, eine Staatsanleihe auszugeben, weil der Zinssatz wegen der instabilen politischen Situation bei viel zu hohen fünf Prozent lag.

HDZ sieht zu viele Zugeständnisse an Most

Der Eskalation war zudem ein wochenlanger Streit in der instabilen Koalition vorangegangen. Während die Most Reformen im Sicherheitsapparat und eine Verschlankung der administrativen Einheiten forderte, fürchtete die Altpartei HDZ den Machtverlust. Der wenig populäre Ex-Geheimdienstchef Karamarko sagte nun, dass seine HDZ bereits "zu viele Zugeständnisse" gemacht habe. Most hatte vor der Regierungsbildung einen unparteiischen Premier gefordert, weshalb der relativ liberale Pharma-Manager Oreško vić zum Zug kam. Karamarko und die HDZ haben aber nie verwunden, dass sie die Regierung nicht anführen konnten. Nun stellte Karamarko klar, dass Orešković ohne HDZ keine Unterstützung im Parlament habe. Dieser ist gegen Neuwahlen, weil sie zu viel Geld kosten würden.

Die Koalition hat nur vier Monate gehalten – sie war am 22. Jänner besiegelt worden, nachdem ohne Most weder die von der HDZ angeführte Patriotische Koalition noch die Sozialdemokraten (SDP) eine Mehrheit im Parlament hatten finden können. (Adelheid Wölfl, 5.6.2016)