Von links nach rechts: Markus Kraetschmer (Austria Wien), Hannah Lessing (Nationalfonds), Andreas Mailath-Pokorny (Stadtrat für Sport), Kurt Scholz (Zukunftsfonds) und Johann Skocek (Projektkoordinator).

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Wien – Spät, aber doch: Fußballbundesligist Austria Wien macht sich an die Aufarbeitung der Klubhistorie in den Jahren des Nationalsozialismus. Lokalrivale Rapid hat seine Rolle zwischen 1938 und 1945 bereits eingehend beleuchtet, nun folgt auch der zweite Wiener Großverein. Als Projektleiter fungiert der Sportjournalist und Buchautor Johann Skocek.

63.000 Euro Budget

Skocek hatte 2014 bereits ein Buch über das Leben des legendären Klubsekretärs Norbert Lopper ("Fußballer, KZ-Häftling, Weltbürger") veröffentlicht und legt das Projekt, dessen Erkenntnisse als Buch publiziert werden, auf 15 Monate an. Die drei Historiker Rudolf Müllner, Matthias Marschik und Bernhard Hachleitner beteiligen sich an der Arbeit.

63.000 Euro stehen dem Team zur Verfügung, der Verein selbst übernimmt einen Großteil der Kosten. Darüber hinaus gibt es Unterstützung von Nationalfonds, Zukunftsfonds und der Stadt Wien. Sport- und Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) griff den Ergebnissen bei der Pressekonferenz am Montag vor: "Die Austria war vor allem Opfer. Andere Wiener Clubs haben den deutschen Meistertitel gewonnen."

In der Tat wurde die Austria nach Hitlers Machtübernahme im März 1938 kurzzeitig in "SC Ostmark" umbenannt. Der Spieler Walter Nausch wiederum schlug das Angebot aus, Trainer der Ostmark-Auswahl zu werden, allerdings nur, wenn er sich von seiner jüdischen Frau scheiden ließe. Er emigrierte stattdessen in die Schweiz. Austria-Präsident Emmanuel "Michl" Schwarz wiederum floh nach Frankreich, wurde aber noch im Jahr 1945 in dieser Funktion zurückgeholt.

Offene Fragen

Allein hier stellten sich aber Fragen, wie Historiker Hachleitner erklärte: Hatte Nausch schon vorher Angebote aus der Schweiz, was ihm die Entscheidung wesentlich leichter gemacht hätte? Wie konnte es sein, dass nach Schwarz' Rücktritt 1957 ausgerechnet Bruno Eckerl, der während der Nazi-Diktatur dem Club vorstand, dessen Nachfolge antrat?

Auch die dunkle Seite des Vereins soll beleuchtet werden. Ernst Kaltenbrunner, später Chef der Sicherheitspolizei, gab bei der Austria den Ehrenpräsidenten. Spieler Hans Mock war illegales SA-Mitglied und lief statt Kapitäns- bald mit SA-Schleife über den Rasen.

Und dann natürlich die Vereinsikone: Matthias Sindelar. Er arisierte ein Kaffeehaus. "Wir wollen uns nicht zum 100. Mal mit der Todesursache beschäftigen", stellte Marschik klar. Der Sportler starb 1939 an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Statt sich den Spekulationen zu widmen, ob es Unfall oder Mord war, wollen sich die Forscher mit dem Paradoxon befassen, dass die Nazis Sindelar vereinnahmen wollten – sie richteten ihm ein pompöses Begräbnis aus –, der Jahrhundertkicker aber gleichzeitig zu einer Identifikationsfigur des Widerstands wurde.

Kraetschmer: "Zu spät ist es sicher nicht"

Ob man mit dem Projekt nicht etwas spät dran sei? Ob man damit vor Jahren nicht rechtsextreme Fans hätte abschrecken können? "Zu spät ist es sicher nicht", sagt Austria-Vorstand Markus Kraetschmer. Zudem hätte sich zunächst die Frage der Finanzierung klären müssen. "Und Radikale werde ich auch damit nicht bekehren können. Da gebe ich mich keinen Illusionen hin." (APA, red, 6.6.2016)