"Gegen Gewalt hilft nur Öffentlichkeit", sagt Rotraud A. Perner zu struktureller Gewalt im Wissenschaftssystem.

Foto: Wikimedia/CC/Tony Hisgett

"Das muss halt so sein." Dieser Satz sollte uns aufhorchen lassen, so Rotraud A. Perner, Juristin, Psychotherapeutin und Publizistin, bei ihrem Eröffnungsvortrag über "Strukturelle Gewalt im Wissenschaftsbetrieb" an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Immer wenn ein Zustand als "natürlich" dargestellt würde, sei das schon ein Indiz dafür, dass erwünscht werde, ihn als "unangreifbar" einzustufen. Was aber sind hier wiederkehrende Muster? Perner stellte ein Begriffsdefinition voran: Mit Johan Galtung, dem Gründungsvater der Friedens- und Konfliktforschung, gesprochen, liegt strukturelle Gewalt dann vor, wenn "das Potenzial eines Menschen geschädigt wird".

"Gegen Gewalt hilft nur Öffentlichkeit"

Es geht also nicht nur um die Ressourcenverteilung, sondern auch um die Entscheidungsgewalt. Diese sei nicht an Personen gebunden, sondern von den Folgen her gedacht. Was bedeutet das nun für strukturelle Gewalt im Wissenschaftsbetrieb? Sie äußere sich in "Behinderungen", die in vielfältiger Gestalt daherkommen können: Als interne oder externe Publikationsverbote, als "sanfter Zwang", als Verweigerung von Unterschriften, als Vergessen der Namensnennung bei wissenschaftlichen Arbeiten, als Umleitung von Drittmitteln, als Mobbing, als Vorenthalten von Informationen – zum Beispiel über wichtige Meetings – sowie als Nichtverlängerung von Zeitverträgen.

"Gerade manipulative Persönlichkeiten kommen oft in Führungspositionen", so Perner. Privilegien für Führende und Ausbeutung von Untergebenen, wie könne das verhindert werden? "Gegen Gewalt hilft nur Öffentlichkeit", betont sie. Dabei sei es wichtig, zwischen "interner" und "externer" Öffentlichkeit zu unterscheiden. "Auch der Wissenschaftsbetrieb hängt ja noch immer einem militärischen Modell mit Schweigepflichten an", so Perner. Deswegen seien regelmäßige Rechenschaftsberichte auch extern so wichtig. Sie verstehe Universitäten als lernende Systeme, die ein externes Monitoringsystem brauchten.

Klare Kriterien, externes Monitoring

Was aber können die Führungspersönlichkeiten zu einer Verbesserung beitragen? "Es geht um Einigung statt Einheit", sagt Perner. Das Geheimhalten von Informationen sei immer kontraproduktiv. Wichtig seien zum Beispiel "klare Kriterien": "Ich erkläre meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, warum und anhand welcher Kriterien ich eine Entscheidung getroffen habe." Hilfreich sei zudem eine Ausbildung zur Stressvermeidung. Viele Führungskräfte würden ja anhand fachlicher Qualifikation ausgewählt, seien aber in puncto MitarbeiterInnenführung gänzlich unbeleckt.

In der anschließenden Podiumsdiskussion betonte auch Beatrix Karl, Wissenschaftsministerin a. D. und Präsidentin des Vereins der StipendiatInnen und Alumni/ae der ÖAW-Stipendienprogramme, die große Bedeutung von klaren Kriterien für eine Karriere im Wissenschaftsbetrieb: Diese seien heute sicher transparenter als früher. "Dass da zum Beispiel eine bestimmte Menge an Drittmitteln angeworben werden muss, ist auch arbeitsrechtlich nicht okay", betont die Juristin. Sie unterstrich außerdem die Wichtigkeit von Nachwuchsförderung: "Wenn ich mich auf eine Karriere ausrichte, brauche ich eine MentorIn."

"Konsequentes Gender Budgeting"

Irene Suchy, Journalistin und Lektorin an der Universität Wien und der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, sprach sich für ein "konsequentes Gender Budgeting" aus. Außerdem kritisierte sie das System der anonymen Begutachtungen, auf die man nicht antworten könne. Jutta Fiegl, Vizerektorin der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien, berichtete von struktureller Ungleichheit ihre Institution betreffend: "Als Privat-Uni fühle ich mich diskriminiert, wenn jeder Studiengang neu akkreditiert werden muss, und das alle fünf Jahre neu." Friedrich Schipper, Paneuropäische Universität Bratislava, berichtete von seinen Erfahrungen als ehemaliger Betriebsrat der Universität Wien und als Gutachter und betonte die Bedeutung "Externer Öffentlichkeit". "Entscheidend ist", so Perner zusammenfassend, "dass wir aus dem Feindbildparadigma herauskommen." (Tanja Paar, 7.6. 2016)