Wo einst Milch pasteurisiert wurde, kann man jetzt lauschig essen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Mangold-Frittata, mit Kräutersalat und Safrancreme angerichtet, ist eine fett-flaumige Herrlichkeit.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ein langer Innenhof mit wild aus dem Asphalt wachsendem Baum, halbverfallenen Rampen, Fliesenwänden und einem alten Industrieschlot: Die frühere Stadtmolkerei in der Weyringergasse unweit des Zentralbahnhofs ist ein lauschiges Überbleibsel vergangener Industriearchitektur. Bis 1990 wurden hier mitten in der Stadt Milch und Joghurt gemacht, danach ist ein Kreativhub mit Architekturbüros, Künstlerateliers, Werkstätten entstanden.

David Prommegger hat Jus und Politikwissenschaft studiert, aber auch in Schweizer Sternelokalen und im wunderbar entspannten Zweitbester gekocht und nebenbei ein Tourismusstudium absolviert. Das Lokal im Hof (es heißt auch so) betreibt er schon seit Ende 2014.

Stimmiger Gastgarten

Die Pool-Architekten haben hier mit Gespür für den Genius Loci ein Restaurant in den einstigen Kesselraum der Molkerei geplant, einen ebenso improvisierten wie stimmigen Gastgarten gibt es auch. Dass die längste Zeit nur ein paar Eingeweihte von alldem wussten, liegt wohl daran, dass die Bude eigentlich als Mittagskantine für die Mieter gedacht war und erst seit ein paar Monaten auch abends durchgängig gekocht wird.

Das dafür umso erfreulicher. Prommegger selbst hat sich weitestgehend aus der Küche verbannt, mit Daniel Schmid (Ex-Joseph-Bistro) und dem Brasilianer Felipe Galuppo Nunez (Ex-Motto-am-Fluss, Hotel am Brillantengrund) verfügt er aber über ein Team, das, wie Prommegger es ausdrückt, zwar "jahrelang auf Haube gekocht hat" – die Gäste im Hof aber bekommen das auf sehr angenehme Weise nicht mit.

Nonchichi

Was die beiden auf die Teller bringen, ist völlig chichibefreites Essen in denkbar zurückgenommener Präsentation. Die Speisen klingen kaum anders, als man sie aus Studentenbeisln kennt (und werden zum Teil sogar auf Schieferplatten serviert, wie sie irgendwann in den 1990ern populär waren), aber sie sind mit Flair zubereitet und mit einer Sicherheit und Konstanz über die Rampe gebracht, die manch aufgemascherlte It-Adresse nicht einmal im Ansatz zusammenbringt.

Mangold-Frittata (siehe Bild) zum Beispiel, mit Kräutersalat und Safrancreme angerichtet, ist eine fett-flaumige Herrlichkeit, die jede ligurische Mamma mit Stolz erfüllen dürfte: Dicht mit Gemüse vollgepackt, mit gerade dem richtigen Biss, der die Balance zwischen geilem Comfort-Food und frischem Frühlingsgrün zu halten weiß. Oder Salat mit Räucherforelle von Gut Dornau, Fenchel, Stangenzeller und Orange: Klingt wie ein Restlessen, wird dank eines schwungvollen Dressings, kluger Konsistenzkontraste und, nicht zuletzt, sanft geräucherten Fischs, mehr als stimmig.

Schweinebauch mit Coleslaw

Auch Beef tartare, dem allerorten unvermeidlichen Speisekartenbewohner, werden hier Manieren beigebracht. Rohes Fleisch will nämlich gezüchtigt werden: Mit scharfem Senf, mit frisch gerissenem Kren und einer Marinade, die Schärfe und fruchtige Säure auf sehr animierende Art zu verbinden weiß, gelingt das zur Abwechslung einmal ganz so, wie es sich gehört.

Risotto mit Pesto und scharf angebratenen Eierschwammerln fügt sich geschmacklich gekonnt zusammen, der Reis ist aber ohne kernigen Biss. Viel besser: Der mächtige Quader vom confierten, perfekt ausgeschwitzten und dennoch saftig-knusprigen Schweinebauch mit knackigem, nicht zu fettem Coleslaw und ganz köstlichen Heurigen mit Basilikum. Danach hat man zwar kaum noch Platz für ein Dessert, die Zitronentarte mit knusprigem Mürbteigboden und fruchtig-buttriger Fülle sollte man sich aber ebenso wenig entgehen lassen wie den unanständig saftigen Chocolate-Fudge-Brownie mit salzigen Erdnüssen. (Severin Corti, RONDO, 10.6.2016)