Vollautomatisierte und digitalisierte Arbeitswelt: Gerechtigkeit ist das Thema.

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Ein schönes Wochenende in einem österreichischen Landhotel: Das Wetter ist strahlend, noch ist Nebensaison, Ruhe, üppige Natur. Die Wirtsleute setzen sich an den Tisch, man kommt ins Plaudern. Es sind nette Leute, nicht von der sierigen Sorte, sie sind scheinbar nett zu ihrem Personal, sie haben Flüchtlinge beschäftigt und geben sich Mühe, diese zu integrieren. Das Geschäft läuft gut, aber sorgenfrei ist ein Wirt natürlich nie.

So ist man bald bei den Personalkosten, bei den Überstunden, die in der Hauptsaison anfallen und die nicht auf das ganze Jahr aufgeteilt werden dürfen – und natürlich wird auf die Registrierkassenpflicht geschimpft.

Belastungsgrenze

Das sei ja alles verständlich, wendet man ein. Aber ein Staat müsse doch Schattenwirtschaft bekämpfen und für Steuerehrlichkeit sorgen, und das Argument, man dürfe just die Wirte nicht belasten, zähle nicht, weil wen denn bitte stattdessen? Die Antwort kommt prompt: niemanden. Die Abgabenlast müsse sinken, vor allem für jene Unternehmer, die viel Personal haben. Die Lohnnebenkosten seien es, die unflexiblen Bestimmungen für Arbeitszeit und Arbeitsschutz, die einen auffräßen.

Womit wir bei der Maschinensteuer wären.

M-Wort

Kanzler Christian Kern hat das M-Wort ausgesprochen, schon herrscht Ärger im neuen Koalitionsparadies. Dabei spricht Kern im Prinzip etwas an, das offenbar tatsächlich viele Menschen bewegt: Arbeitnehmer hören bei Bewerbungen ständig, sie kosten zu viel, Unternehmer wie der besagte Wirt beklagen die übermäßige Belastung der Arbeitskraft.

In Kombination mit der ständig steigenden Arbeitslosigkeit und dem Gefühl, dass diejenigen, die wirklich fette Gewinne machen, ohnehin zu wenig beitragen, ergibt das eine explosive Mischung. "Ungerecht" ist das Schlagwort für die Befindlichkeit einer ganzen Nation. Man fühlt sich ungerecht behandelt, den Wohlstand sieht man ungerecht verteilt, und weil das so ist, gibt man am liebsten gar nichts mehr ab, will mit niemandem teilen, und schon gar nicht mit Flüchtlingen.

Kurskorrektur erforderlich

Es gibt also ein gesamtgesellschaftliches Problem mit zwei Wurzeln: Der Staat muss sich überlegen, Abgaben gerechter einzuheben – und sie gerechter zu verteilen. Soll heißen: So, wie es jetzt läuft, läuft es offenbar für die Mehrheit der Menschen in diesem Land nicht optimal. Das sollte Grund genug sein für die Regierungspolitiker, ihren bisherigen Kurs zu überprüfen und über einen neuen nachzudenken.

Gut möglich, dass die "Maschinensteuer" sich nicht als das geeignete Mittel herausstellt – weil sie zu kurz greift und weil sie vor allem internationale Unternehmen nicht treffen würde. Damit wäre auch die große Umwälzung, vor der die Arbeitswelt derzeit steht, die voll durchdigitalisierte "Industrie 4.0", nicht genügend berücksichtigt.

Nachdenken

Es gibt auch jene Untersuchung des Wifo aus dem Jahr 1997, in der berechnet wurde, dass eine solche Abgabe zwar kurzfristig Arbeitsplätze schaffen, längerfristig aber als Investitionsbremse wirken würde. Andererseits: Die Studie ist bald 20 Jahre alt. Vielleicht gibt es neue Erkenntnisse und auch neue Ideen, wie man den Sozialstaat erhalten kann, ohne die Arbeitskraft disproportional zu verteuern.

Nachgedacht sollte werden, und das ist genau das Gegenteil von dem, wozu die ÖVP offenbar bereit ist: Von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner über Finanzminister Hans Jörg Schelling und Wirtschaftskammer-Boss Christoph Leitl bis hin zu Außenminister Sebastian Kurz, der sonst so gern laut über allerlei Tabubehaftetes nachdenkt – in dieser Frage zeigen sie sich generationenübergreifend flexibel wie Beton.

Nach "neu regieren" sieht das nicht aus, eher nach alten Reflexen. Und nicht nur der Wirt im Landhotel, irgendwo in Österreich, bleibt auf seinem Unbehagen sitzen. (Petra Stuiber, 9.6.2016)