Beverly Hietzing.

Foto: Der standard/robert newald

Die herrliche Schönbrunner Einsamkeit.

Foto: Robert Newald

Hietzing ist ein Dorf. Das sagen zumindest die Bewohner dieses Bezirks im Wiener Westen. Da, wo die Stadt langsam in den Wienerwald ausläuft, da ist er zu Hause, der Hietzinger. Von Auhof bis Speising, vom Lainzer Tiergarten bis zum Hietzinger Kai, vom Rosenhügel bis zum Roten Berg erstreckt sich der Bezirk, in dem, wie böse Zungen behaupten, nur Pensionisten und Familien mit Kindern leben. Tatsächlich ist Hietzing eher auf der gemütlichen Seite, das Nachtleben tobt woanders.

Die U4-Teilsperre erschwert zwar zurzeit die Anreise, doch der Weg lohnt sich. Der Bezirk ist – zwar nicht unbedingt politisch gesehen – der grünste Wiens, kein anderer kann 70,3 Prozent Grünflächen aufweisen. Daran sind auch zwei der schönsten Wiener-Wald- und Wiesen-Areale schuld, der Lainzer Tiergarten und der Schönbrunner Schlosspark.

Wo sich Eichhörnchen und Wildschwein Gute Nacht sagen

Zwar strömen täglich Touristenhorden aus aller Welt in diesen Park, dennoch ist hier das Unmögliche schaffbar: abseits der Hauptalleen gänzlich allein durch die labyrinthartigen Heckengänge streifen und seinen Gedanken nachhängen, gelegentlich besucht von den ganz und gar nicht scheuen Schönbrunner Eichhörnchen.

Schönbrunn beziehungsweise die Habsburger sind auch schuld an dem noblen Image, das Hietzing seit jeher anhaftet. Wer es sich leisten konnte, siedelte sich in der unmittelbaren Umgebung des kaiserlichen Sommersitzes an, prachtvolle Villen und Gründerzeithäuser prägen noch heute das Bild. Cottage kann man eben nicht nur in Döbling.

Und auch der Lainzer Tiergarten hat nicht nur mit Wald, Wiesen und Wildschweinen aufzuwarten, sondern auch mit einem echten Sisi-Schloss, der morbiden Hermesvilla.

Verbindungsbahn, Dommayer und Ekazent

Doch Hietzing ist mehr als nur ein vordergründig vornehmes Pflaster. Was sind und waren aber die Fixpunkte eines Hietzinger Lebens? Pizzaessen im Della Lucia an der Kennedybrücke, die ersten wackeligen Skifahrversuche als Kind und Drachensteigen auf dem Roten Berg, Spazierengehen auf dem wunderschönen Ober-St.-Veiter Friedhof mit einem kurzen Abstecher ans Schiele-Grab, der raue Charme des Hietzinger Ekazent mit dem mittlerweile leider geschlossenen China-Restaurant Eibenhof, Kaffeetrinken und Tratschen im Café Dommayer, mit der Klasse im Turnunterricht im Hörndlwald seine Joggingrunden drehen, Eisessen beim Bellissima und brutale Abstürze im Schaumweinhäuschen in der beschaulichen Altgasse gehören mit Sicherheit dazu. Genauso wie die Suche nach den gefühlten drei bis vier Zigarettenautomaten, die irgendwo in dem weitläufigen Bezirk verteilt sind.

Auch lässt sich Stillstand nirgends so gut erleben wie in Hietzing, wenn sich direkt vor einem die Schranken der Verbindungsbahn schließen und man gefühlte 30 Minuten darauf wartet, dass das Leben weitergeht. Während die Bewohner anderer Bezirke auch nur eine halbe Stunde in die Stadt brauchen, benötigt so mancher Hietzinger dieselbe Zeit, bis er einmal bei der U-Bahn ist. Doch das Idyll hat eben seinen Preis.

Spießerhölle oder Paradies im Grünen?

Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Doch wie haben Sie Hietzing erlebt? Was waren die Eckpunkte Ihrer Jugend in Hietzing? Was gefällt Ihnen an diesem Bezirk, was stört Sie? Welches ist Ihr liebstes Hietzinger Platzl? (aan, 13.6.2016)