Amy Webb ist beim GEN Summit 2016 als Referentin zu Gast.

Foto: Shoden/wikipedia

Wien/Washington – Amy Webb ist Wissenschafterin im Bereich der technologischen Zukunft und hat das Future Today Institute in Washington gegründet. Für sich selbst erschuf sie ein System, mit dem sie Personen auf Datingwebseiten aussortieren kann.

TED

STANDARD: Kann die Idee, andere Personen auszusortieren, auch im Medienbusiness erfolgreich angewendet werden?

Webb: Wir haben empirische Beweise quer durch unterschiedliche Industrien, dass Menschen am besten auf Inhalte reagieren, die an sie angepasst sind. Wenn ich ein modernes Medienbusiness "hacken" würde, würde ich damit beginnen, jene Technologien und Strukturen auseinanderzureißen, die Nachrichten generalisiert gehalten haben.

STANDARD: Welche Ideen für den Journalismus haben die besten Chancen in der Zukunft?

Webb: Es wird viel über eine Technologie- sowie eine Nachrichtenblase gesprochen. Der Begriff "Blase" ist eine sehr interessante Wortwahl. Forscher der Harvard-Universität haben herausgefunden, dass eine geplatzte Blase unzählige neue Blasen bildet. Blasen sind eine hilfreiche Analogie für Medienführungskräfte, um über die Zukunft nachzudenken. Zunächst können wir alle darin übereinstimmen, dass Nachrichtenmedien eine andere Geschäftsstrategie brauchen, um zu überleben. Möglicherweise wären sehr große Medienorganisationen stärker und besser dazu in der Lage, zukünftigen Veränderungen standzuhalten, wenn sie stattdessen ein beweglicherer Zusammenschluss von Mediengruppen wären. Ich rede davon, ihre gesamte Struktur zu verändern. Wenn eine Medienorganisation einen Knall verhindern möchte, könnte sie sich durch das Investieren in Forschung und Entwicklung und neu entstehende Technologien, die einer Organisation mehr Kontrolle über ihre Vertriebsstrategie erlauben, selbst stärken.

STANDARD: Wenn man ein eigenes Journalismus-Start-up gründen möchte, um viel Geld zu verdienen, welche Hilfsmittel bräuchte man?

Webb: Gewinnbringende Organisationen neigen dazu, kleiner zu sein, einen Nischenfokus zu haben und unverzichtbare Informationen an ihr Publikum zu liefern. Es gibt eine Handvoll Personen, die ihre Berichte und Inhalte durch bezahlte Newsletter verbreiten. Aber in all diesen Fällen geht es weniger um die Hilfsmittel als um großartige Inhalte, die für ein Nischenpublikum erstellt werden.

STANDARD: Die Bedeutung sozialer Medien für traditionelle Medien?

Webb: Der Trick ist, sich selbst zu einer schnelleren Anpassung zu zwingen. Es ist nicht schwierig, soziale Medien zu nutzen. Menschen sind zwar biologisch dafür gemacht, etablierte Strukturen und Muster gegenüber Neuem zu bevorzugen. Aber das ist keine Entschuldigung.

STANDARD: Ist die virtuelle Realität das nächste große Ding?

Webb: Die virtuelle Realität wird in den nächsten fünf bis sieben Jahren immer weiter an Bedeutung gewinnen, aber nicht für die Nachrichten. Medienorganisationen, die virtuelle Realität zur Vergrößerung ihrer Publikumsreichweite nutzen wollen, setzen auf die falsche Strategie.

STANDARD: 360-Grad-Videos im Journalismus?

Webb: Videos machen Sinn, wenn man genug Personal, Zeit und Geld dazu hat.

STANDARD: Storytelling im Journalismus?

Webb: Storytelling ist vorrangig. Keine coole Technologie dieser Welt kann schlechtes Storytelling überwinden – sehen Sie sich nur die neuen Transformers-Filme an. (Doris Priesching, Sarah Dorfstätter, 10.6.2016)