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Der Journalist und Autor Eric Breitlinger, selbst Kind später Eltern, legt in seinem Buch "Späte Kinder" dar, wie dies das Leben der Sprösslinge prägt.

Foto: Getty Images/Milan Marjanovic

Eric Breitinger
Späte Kinder

Vom Aufwachsen mit älteren Eltern
Christoph-Links-Verlag 2015
232 Seiten, 18 Euro

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Immer mehr Eltern bringen ihre Kinder immer später auf die Welt. Der Journalist und Autor Eric Breitlinger, selbst Kind später Eltern, legt in seinem Buch "Späte Kinder" dar, wie dies das Leben der Sprösslinge prägt. Darin berichtet er nicht nur von seinen eigenen Erfahrungen, sondern interviewt 25 Menschen, deren Eltern bei ihrer Geburt bereits in die Jahre gekommen waren. Die so entstandenen Porträts verknüpft er mit aktuellen Statistiken und Studien zum Thema.

Zweiter Frühling, letzte Chance

Historisch betrachtet ist das Phänomen später Elternschaft nicht neu. Kinderkriegen war in Europa für viele Frauen bis Mitte des 20. Jahrhunderts "eine lebenslange Aufgabe", Spätgebärende also keine Seltenheit. Aber: Späte Kinder waren meist jüngere Geschwister. Breitlinger geht es aber um die spät geborenen Einzelkinder und Nachzügler – um das Aufschieben des Kinderkriegens, den zweiten Frühling mancher Väter und die letzte Chance vieler Frauen.

Während Spätgebärende immer wieder ins Visier der medialen Berichterstattung geraten und ab einem Alter von 35 Jahren mit dem Stempel "Risikoschwangerschaft" versehen werden, ist weniger von später Vaterschaft zu lesen – und noch weniger von der Perspektive der Kinder. Denn, so schreibt Breitlinger, für den Nachwuchs bringen ältere Eltern durchaus Vorteile. Pensionierte Väter, die sich stets Zeit nehmen, Mütter, die gelassener und wertschätzender sind – in der Regel verfügen späte Eltern über bessere finanzielle Absicherung und sind psychisch stabiler.

Natürlich kehrt der Autor auch die Nachteile hervor: Kinder würden oft als Lebensinhalt ihrer alternden Eltern herhalten müssen und wären stark auf Erwachsene fixiert. Hinzu käme die gesellschaftliche Stigmatisierung, wenn die Eltern als Großeltern betrachtet werden, das Aufwachsen als Einzelkind und oft ohne Großeltern. Doch treffen wirklich alle Aspekte allein auf späte Kinder zu? Die Bandbreite der im Buch erzählten Geschichten zeigt vor allem, wie vielfältig menschliche Beziehungen sind – ob mit alten oder jungen Eltern.

Aufschlussreiches trotz Alarmismus

An vielen Stellen bringt Breitlinger wichtige Gedanken und Fakten in die Diskussion um späte Elternschaft ein. Wie etwa eine 2014 veröffentlichte Studie des Berliner Zentrums für Altersfragen. Forscherinnen haben Erwerbsbiografien von Männern der Babyboomergeneration der 1960er-Jahre mit jenen der 1940er-Jahre verglichen. Mit dem ernüchternden Ergebnis: Wenn Männer Väter werden, hat das kaum Einfluss auf ihre Erwerbsbiografie. Sie würden an der Vollzeitstelle festhalten und argumentieren, dass sie schließlich mehr verdienen würden als ihre Frauen. Wenig verwunderlich, arbeiten doch viele Frauen nach der Babypause Teilzeit und erleben zudem oft eine Herabstufung in ihrem Aufgabenbereich. Hier geht es nicht um hohe Ansprüche von Frauen an die eigene Lebensgestaltung, wie es an anderer Stelle im Buch heißt. Hier geht es um die politische Dimension von Elternschaft, um Arbeitsaufteilung und Lohnschere, um Geschlechterstereotypen und gesellschaftliche Normen. Doch davon ist im Buch weniger zu lesen.

Streckenweise ist der Autor auch nicht vor einem gewissen Alarmismus gefeit, wenn er schreibt: "Das Kinderkriegen kommt in einer Lebensphase in Mode, die sich dafür biologisch nicht optimal eignet. In Deutschland ist schon jede fünfte Mutter bei der Geburt eines Kindes über 35, in der Schweiz jede sechste, in Österreich jede neunte." Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Frauen dazu bewegen, das Kinderkriegen immer mehr hinauszuschieben, sind hinlänglich bekannt. Die Entscheidung darüber, welches Alter für Frauen das "richtige" ist, hängt von unendlich vielen individuellen Faktoren ab – und das entscheidet jede Frau für sich selbst. Man könnte es auch so sehen: Die Menschen werden immer älter und die Familienmodelle und Lebensentwürfe wachsen mit. (Christine Tragler, 10.6.2016)