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Links reden und schön sparen: Alexis Tsipras steht einer Partei vor, die sich nicht leicht politisch verorten lässt.

Foto: Reuters / Michalis Karagiannis

Für Panos Trigazis zählen mehr denn je die drei Fahnen im Logo der Partei. Rot, grün, lila – die Synthese von linksradikal, ökologisch, gesellschaftlich progressiv. "Wir sind die neuen Sozialisten", sagt Trigazis, ein alter Fahrensmann der griechischen Linken, der heute die Abteilung für internationale Beziehungen und Friedenspolitik der Regierungspartei leitet.

Für Marianna Tsichli ist es die ebenso rasante wie kaltschnäuzige Kehrtwende von Alexis Tsipras, des einst umjubelten Sparkursgegners: die 65 Prozent Nein beim Kreditreferendum vergangenes Jahr, die zu 100 Prozent Ja wurden. "Syriza ist eine neoliberale Partei", so sagt die junge Athener Anwältin. "Sie werden nicht mehr zurückrudern können. Der Tag des Urteils kommt für sie."

"Selbsttäuschung, nicht Lüge"

Was Syriza heute ist, die Koalition der radikalen Linken, wie der Parteiname ausgeschrieben lautet, ist nicht so einfach zu beantworten. Die alte Syriza, das Bündnis marxistischer Kleinparteien, gibt es jedenfalls nicht mehr. Man könne ihm und seiner Regierung Selbsttäuschung vorwerfen, so räumte Tsipras jüngst erstmals in einer Parlamentsdebatte ein, nicht aber Lügen. Ende September wird es nun einen Parteitag geben. Den ersten nach der Regierungsübernahme der radikalen Linken im Jänner 2015, nach Kurswechsel und Spaltung. Tsipras will Syriza nun zur Volkspartei machen.

Marianna Tsichli sitzt im Führungsgremium der Volksunion, der Laiki Enotita von Tsipras' früherem Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis. Die Volksunion ist noch neu und klein. Ihren ersten Test bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im September vergangenen Jahres hat sie vermasselt; an der Drei-Prozent-Hürde ist sie knapp gescheitert. Doch Lafazanis' Einfluss auf die Gewerkschaften ist beträchtlich.

20 Millionen in drei Wochen

Deshalb wird jetzt wieder gestreikt im Land wie lange nicht mehr seit Beginn der Finanzkrise 2010. Auf 20 Millionen Euro Ausfall soll sich allein der seit drei Wochen andauernde Streik der Hafenarbeiter in Piräus und Thessaloniki belaufen. Für die acht Kreuzfahrtschiffe, die am heutigen Samstag im Athener Hafen vor Anker gehen wollen, suchte die Regierung bis zuletzt eine Lösung mit den rebellierenden Arbeitern. Tsipras hat sie an Cosco verkauft, so sehen sie es, an die chinesische Staatsreederei, der nun Piräus gehört.

Mit Lafazanis ging im August vergangenen Jahres ein Viertel des großen, 200 Köpfe zählenden Zentralkomitees von Syriza. Die Sessel wurden einfach nachbesetzt. Parteibeschlüsse über den abrupten Wechsel zur Sparpolitik und den neuen Milliardenkredit von den Gläubigern gab es nicht, so stellt Chrisanthos Tassis fest, ein Politologe, der an der Universität von Athen lehrt. Für ihn ist das ein Sündenfall. Syriza war ein horizontal aufgebautes Bündnis von Kleinparteien, das wesentlich von internen Debatten lebte und der gegenseitigen Tolerierung der marxistischen Gruppen unterschiedlicher Couleur.

Eurokommunisten am Ruder

Die Rumpfpartei, mit der Tsipras nun aus einem Jahr der Sparbeschlüsse und Verhandlungen mit den Kreditgebern herausgeht, besteht im Wesentlichen nur noch aus Synaspismos, der größten der kleinen Linksparteien unter dem Dach von Syriza. Tsipras hatte diese eurokommunistische, linkssozialistische Gruppierung geführt, die 2013 dann, beim jüngsten Parteitag, dem Namen nach aufgelöst wurde.

Lafazanis war der Wortführer der sogenannten Linken Plattform in Syriza, der Minderheit, die beim Parteitag 2013 festgeschrieben wurde. Zoe Konstantopoulou, die rabiate Parlamentspräsidentin der ersten Regierungsmonate von Syriza, ging ebenfalls mit Lafazanis. Auch sie gründete mittlerweile eine eigene Partei – den Freiheitskurs, Plefsi Elefthorias. Die Syriza-Dissidenten plädieren für etwas, das nicht wenige Ökonomen außerhalb Griechenlands auch für sinnvoll halten: die Rückkehr zur Drachme.

Schlechte Umfragen

Noch aber sitzt Tsipras im Sattel, auch wenn die Umfragen seit Monaten einen deutlichen Vorsprung für die konservative Nea Dimokratia zeigen. Sieg oder Niederlage bei einer nächsten Wahl seien nicht entscheidend für Syriza, so sagen politische Beobachter in Athen. Ob Tsipras und seine Partei überleben, hängt von etwas anderem ab: von zwei, drei "linken Reformen".

Mit ihrem wirtschaftlichen "Parallelprogramm" hat die Regierung bisher bei den Kreditgebern Schiffbruch erlitten. Sie wird es wohl wieder versuchen. Eine Verfassungsreform hat sie diese Woche angekündigt. Das alles soll den Tsipras-Stil retten: den Spagat zwischen linksgerichteter Rhetorik und der Umsetzung eines Sparprogramms, das dem Land von außen auferlegt wird. (Markus Bernath aus Athen, 11.6.2016)