Staatsoper: die bösen Absichten, kraftvoll besungen.


Foto: Michael Pöhn

Wien – Es gibt keinen Ort in Wien, an dem regelmäßiger und rücksichtsloser gemordet wird als am Kärntner Ring. Die Staatsoper ist ein Hot Spot des Verbrechens, in diesen Tagen etwa geht dort ein schottischer Feldherr um, der aus Gründen des Machterwerbs und Machterhalts Todesfälle in seinem Bekanntenkreis verursacht.

Seit Oktober letzten Jahres meuchelt Macbeth in einem grauen Betonbunkerambiente von Gary McCann (Inszenierung: Christian Räth). Die Stimmfarbe des Baritons von Andrzej Dobber ähnelte der seiner Umgebung: Sein Macbeth war von gleichförmig spröder, glanzloser Art, lediglich in seiner letzten Arie im vierten Akt keimte ein wenig Wohlklang auf.

Der 55-jährige Pole stand also auch vokal im Schatten seiner dominanten Gattin: Tatiana Serjan gab eine fulminante, hochintensive Lady Macbeth, mit ihrem durchschlagskräftigen, hell lodernden Sopran trieb sie ihren zaudernden Gatten zu den Gräueltaten an. Die gebürtige St. Petersburgerin ist ein vokales Kraftpaket, ihre satte, dichte Stimme fühlt sich im Angriff, in der Vorwärtsbewegung am wohlsten.

Es war eine körperliche Lady Macbeth, die die allerorts gefeierte Russin hier präsentierte, mit einer fast männlichen, rugbyspielerhaften Verve stürzte sie sich ins Geschehen und schonte sich nicht. Wie um zu demonstrieren, dass sie auch anders kann, überraschte Serjan am Ende dramatischer Phrasen gern mit abrupten dynamischen Zurücknahmen. Die Koloraturen gelangen flink und sicher. Altmeister Ferruccio Furlanetto lieh dem Banquo seinen prägnanten Bass, Jorge de León brachte im vierten Akt als Macduff kräftig-hellen tenoralen Glanz in all das Grauen, justament mit seiner dringlichen Klage über den gewaltsamen Tod seiner Kinder. Energisch der Malcolm von Jinxu Xiahou, nobel-männlich Jongmin Parks Spion, ideal die Kammerfrau Donna Ellens.

Im Orchestergraben setzte Simone Young oft auf straffe, sportive Tempi, wobei das unauffällig agierende Staatsopernorchester dem militärischen Schmiss italienischer Orchester dabei gefährlich nahe kam. Zwischendurch animierte die Australierin mit dem hüpfenden Dirigierstil aber auch zu Elastizität und Subtilität. Der Staatsopernchor (wer hat sich nur diese bizarre Choreografie zum ersten Hexenchor ausgedacht?) imponierte unter anderem mit einem kraftvoll-knackigen Finale des ersten Akts. Jubel, vor allem für Serjan. (Stefan Ender, 14.6.2016)