Dinge jenseits des Sichtbaren wahrzunehmen und sichtbar zu machen, bildet eine Grundlage der künstlerischen Arbeit von der klassischen Moderne des frühen 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart." Robert Fleck, Kunsthistoriker und international renommierter Ausstellungskurator, geht aber noch einen Schritt weiter. Seine These lautet, dass Kunst nicht nur mit dem Sehen zu tun hat, sondern ebenso mit dem Riechen, dem Tasten, dem Hören und mit Wahrnehmungen aller Art. Diese "anderen Sinne" spielen, so der 1957 in Wien Geborene, eine viel größere Rolle, als wir zunächst annehmen. Seit der Antike machen Maler und Bildhauer diese Vielfalt unserer Sinne bewusst. Im digitalen Zeitalter aber wandeln sich diese Wahrnehmungsformen so rasch wie seit Jahrhunderten nicht mehr.

Fleck untersucht die bildende Kunst als eine Art "Lexikon der Sinneserfahrungen", das Orientierung in der Gegenwart geben soll. Gerade in einer Ära der schnelllebigen Reizüberflutung – gleichgültig, ob optisch, akustisch oder auch haptisch – kann Kunst im öffentlichen Raum nicht nur politische und soziale, sondern auch gesellschaftliche Positionen unterstützen und beeinflussen. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt er, wie sich die Profile der subjektiven Wahrnehmung im Lauf der Jahre verändern und wie sie wirken.

Aufmerksamen Lesern des STANDARD ist Robert Fleck als einer der Kuratoren des museum in progress seit Jahrzehnten gut bekannt. Das von Josef Ortner und Kathrin Messner 1988 gegründete, von Roman Berka und Kaspar Mühlemann betreute virtuelle Museum war seit jeher ein Stachel im Fleisch selbstzufriedener Saturiertheit.

Fleck entlarvt aber auch die grassierende Epidemie der Blender und Provokateure, deren Kunst primär darin besteht, sich selbst perfekt zu vermarkten. Wahrnehmung hat auch etwas mit Einordnung zu tun. Das Hinterfragen von politischer Message, künstlerischem Inhalt und artifiziellem Impetus ist wesentlich. Gerade auch in Zeiten des Internets und der sogenannten Social Media, in denen jede Kaulquappe ungefragt und ungebeten ihren akustischen und optischen Sondermüll in den Orbit des virtuellen und realen Universums als Kunst absondern kann. (Gregor Auenhammer, 21.6.2016)