Termindruck, Überstunden und Dauerstress – für viele Menschen Alltag am Arbeitsplatz. Oft macht diese Arbeit krank, und der Körper sendet Alarmsignale: Schlaflosigkeit, Erschöpfung und Produktivitätsverlust.

Instahelp, eine Plattform für psychologische Onlineberatung in Echtzeit, und das Karriereportal karriere.at haben für eine repräsentative Studie von marketagent.com Arbeitnehmer sowie Personalentscheider und Geschäftsführer zu dem Thema "Psychische Belastung am Arbeitsplatz" befragt.

Mehr als 80 Prozent der Befragten sind sogar davon überzeugt, dass der psychische Zustand die Arbeitsleistung stark beeinflusst. Für die meisten der betroffenen Arbeitnehmer aber kein Grund, sich zu schonen und zu Hause zu bleiben. Nur ein Bruchteil geht auch in den Krankenstand, selbst wenn das Bedürfnis danach groß ist – oftmals aus Angst vor fehlender Akzeptanz der Kollegen. Diese ist nicht ganz unbegründet: Niedergeschlagenheit und Schlafstörungen rangieren auf den letzten Plätzen bei "salonfähigen" Krankenstandsgründen.

Körperliche "Erklärung" ist salonfähig

Fieber und Knochenbrüche werden dagegen am meisten in der Belegschaft akzeptiert, sowohl bei Arbeitnehmern als auch Vorgesetzten. Werden die körperlichen Beschwerden jedoch ignoriert, sind oftmals psychische Leiden wie Depression oder Burnout die Folge. Trauriges Faktum: Die Entwicklung von psychischen Leiden im Berufsalltag sehen die Befragten in den vergangenen zehn Jahren stark zunehmend.

Dabei sind psychische Probleme oder Erkrankungen im Berufsleben immer noch stark mit negativen Aspekten behaftet. Fast die Hälfte sieht psychische Leiden als Tabu-Thema im Unternehmen.

Das ist klar: Krankenstand. Bei psychischen Problemen wird eher Körperliches vorgeschoben.
Foto: apa / gindl

Über eine Million Menschen in Österreich haben laut Arbeiterkammer arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme. Psychische Erkrankungen sind dabei auf dem Vormarsch und machen heute bereits ein Drittel jener Diagnosen aus, die zu einer Berufsunfähigkeits- oder Invaliditätspension führen. Aufgrund dieser Tendenzen wurde auch 2013 das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz novelliert, wurde die Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz vorgeschrieben.

Es wird schlimmer

Acht von zehn befragten Erwerbstätigen meinen, psychische Leiden im Berufsalltag hätten in den vergangenen zehn Jahren zugenommen. Auch der Großteil der Arbeitgeber und Vorgesetzten sieht das so. Sogar fast alle Befragten hätten bereits Erfahrungen im Umgang mit Personen mit psychischen Problemen, sagt Instahelp-CEO Martin Pansy.

Depression und Burnout werden in diesem Zusammenhang oft genannt und am ehesten als psychische Leiden betrachtet. Private und berufliche Gründe sind dabei fast gleichermaßen Auslöser für psychische Probleme. Hier erkennen 58 Prozent der Arbeitnehmer einen beruflichen Hintergrund als Auslöser, wohingegen nur 41 Prozent der Arbeitgeber das so teilen. Trotzdem wird im Berufsalltag beziehungsweise Kollegenkreis wenig darüber gesprochen: Fast die Hälfte der Arbeitnehmer sieht psychische Leiden als Tabuthema im Unternehmen. Hierbei fällt auf: In einer offenen Unternehmenskultur, wo psychologische Leiden auch durch Vorträge oder in Beratungsangeboten thematisiert werden, sehen nur mehr 35 Prozent der Arbeitnehmer psychische Leiden als Tabuthema.

Büro statt Bett

Das Bedürfnis danach, in den Krankenstand zu gehen, ist höher als die tatsächliche Inanspruchnahme eines Krankenstandes. Fast ein Fünftel der Erwerbstätigen hat einmal im Monat das Bedürfnis aufgrund eines körperlichen Leidens in Krankenstand zu gehen – jedoch nur vier Prozent bleiben tatsächlich zu Hause. Im Falle von psychischen Problemen sind dies noch weniger: 13 Prozent haben einmal im Monat das Bedürfnis aufgrund eines psychischen Leidens zu Hause zu bleiben, jedoch nur ein Bruchteil von drei Prozent tut es.

Scham bei Psycho-Problemen

Knochenbrüche und Fieber am ehesten akzeptiert Die Studie hat ergeben, dass Krankenstände aufgrund von Knochenbruch (79 Prozent) oder Fieber (74 Prozent) am ehesten auf Akzeptanz in der Belegschaft stoßen, gefolgt von Magen-Darm-Problemen (47 Prozent). Am wenigsten akzeptiert werden Niedergeschlagenheit (sieben Prozent), gefolgt von Schlafstörungen (zehn Prozent) und familiäre Probleme (13 Prozent). Die gleichen Gründe stoßen auch bei Vorgesetzten auf Akzeptanz resp kaum Akzeptanz.

Angst vor Stigmatisierung

Lediglich jeder Dritte würde bei einem Krankenstand aufgrund von psychischen Problemen diese auch als Grund anführen, was den Schluss zulässt, dass die Mehrheit ein körperliches Problem vortäuschen würden. Diese Tatsache deckt sich mit der Einschätzung von Arbeitgeberseite. Hier glauben 87 Prozent der Geschäftsführer, dass der Krankenstand offiziell körperlichen Ursprungs ist, und nur knapp 13 Prozent glauben, dass der Krankenstand auf ein psychisches Leiden zurückzuführen ist. Inoffiziell würden Arbeitgeber aber annehmen, dass 31 Prozent der Krankenstände eigentlich psychischen Ursprungs sind. Dies würde bedeuten, dass jeder fünfte Krankenstand in Österreich als körperlicher verzeichnet wird, obwohl er allerdings psychischen Ursprung hat.

Lieber Rückzug statt Reden: Nur 14 Prozent würden Kollegen ins Vertrauen ziehen, wenn ihre Seele leidet.
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Lieber schweigen

Die wenigsten würden auch über ihre Probleme sprechen: Nur ein geringer Anteil (17 Prozent mit Chefs, 14 Prozent mit Kollegen) würde mit dem oder der Vorgesetzten beziehungsweise im Kollegenkreis über eigene psychische Belastungen sprechen. Nur ein Fünftel denkt, dass die oder der Vorgesetzte Verständnis für psychische Belastungen hätte.

Beratung und Hilfe fehlen

Das Angebot an psychologischer Beratung, egal ob schriftlich oder persönlich, sowie Seminare zu psychischer Gesundheit rangieren auf den letzten Plätzen im innerbetrieblichen Angebot. Die Nachfrage ist jedoch da. Danach befragt, welche innerbetrieblichen Sozialleistungen die Befragten in Anspruch nehmen würden, sagen fast doppelt so viele Arbeitnehmer als Vorgesetzte, dass sie Vorträge über psychische Gesundheit (32 Prozent), aber auch das Angebot psychologischer Beratung (26 Prozent) annehmen würden. Insbesondere Frauen sind an einem Angebot dieser Art interessiert.

Fast die Hälfte der befragten Erwerbstätigen war bereits in einer Situation, in der sie gerne eine psychologische Beratung/Therapie in Anspruch genommen hätten. Fehlende Anonymität und Angst vor Stigmatisierung sind die Hauptgründe für eine Ablehnung solcher Angebote. Für über ein Viertel der Arbeitnehmer wäre es zu unangenehm gewesen und ein Viertel wollte nicht, dass es jemand mitbekommt. Der Kostenfaktor spielt ebenso bei einem Viertel eine Rolle.

Verantwortliche Firmen

Fast die Hälfte der Befragten sieht es in der Verantwortung der Unternehmen, Bewusstsein für psychische Probleme zu schaffen. Mehr als doppelt so viele Erwerbstätige (35 Prozent) als Geschäftsführer (16 Prozent) sind der Meinung, dass der Arbeitgeber ein entsprechendes Beratungsangebot für Mitarbeiter mit psychischen Problemen bieten soll. (kbau, 22.6.2016)