Thug Kitchen. 115 vegane Rezepte. 240 Seiten, Christian-Verlag 2016, 25,70 Euro

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"Lettuce Ladies" in Hongkong bei einer proveganen Aktion, die Fleischesser zum Umstieg auf Gemüse animieren soll.

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Es ist eine alte Weisheit, dass die Augen immer mit essen. Wenn Speisen schön aussehen, will man sie gerne kosten. Das lässt sich auf abstrakter Ebene noch ein bisschen weiterdrehen. Schön gestaltete Kochbücher werden eher gekauft als jene mit langweiligem Layout und schlechten Fotos. Wer das eben im Christian-Verlag eben auf Deutsch erschienene "Thug Kitchen" in die Finger bekommt, bleibt am Untertitel hängen. "einfach vegan, geiler scheiß" steht da. Das sind Worte, die man in dieser Klarheit bisher auf Kochbüchern nicht fand – und vielleicht auch gar nicht vermisste.

Eines vorweg: Rein von der Machart ist dieses Buch tatsächlich Aufsehen erregend. Toller Schriftenmix, großartige Fotos und Text, der Lebensgefühl vermittelt. Wer auf Fleisch verzichtet ist kein fader Körndlfresser, kein Öko, kein ängstlich verschwitzter Reformhausjunkie, sondern ein cooler Typ. Was "thug" auf Deutsch bedeutet (nämlich Gauner, Strolch) bleiben die Autoren im Vorwort schuldig, es erschließt sich eigentlich auch in der weiteren Lektüre nicht.

Damit keinem langweilig wird, werden freche Sprüche geklopft: "Eat like you give a fuck", "Warum soll es verdammt noch mal schwer sein, gesundes Essen zu kochen", "Hau rein". Das hat den gewünschten Effekt: Man will wissen, was die Autoren als geiles Essen bezeichnen.

Sexy Problem

Und Achtung: Jetzt wird es ein bisschen schwierig. Quinoa-Brei, Geschmorter Winterkohl, Hafer-Bananenbrot: Da ist die Illusion von sexy und geil irgendwie plötzlich weg. Und auch wenn es darum geht, satt zu werden, hat man so seine Probleme. Klar, es gibt Nüsse und Süßkartoffeln in vielen Rezepten – und sehr viel und gerne wird mit frischem Knoblauch gearbeitet – das ist ungeil für den Atem und außerdem müssen Fleischverweigerer richtig viel essen, um keinen Hunger mehr zu haben. Zum Beispiel von gegrillten Auberginen mit Sobanudeln. Ist sicher gesund, doch dieses wunderbare Sättigungsgefühl im Bauch will sich nicht einstellen. Und hungrig ist man auch sehr schnell wieder.

Doch für alle, die gerne kulinarische Ausflüge in andere Geschmackszonen machen, ist dieses Buch eine wunderbare Lektüre mit vielen Anregungen in Form von Wraps und Rollen, Asiatischem und allerlei Salsas. Das erfordert zwar stets eine Auswahl vieler neuer Gewürze, dafür jubiliert der Gaumen. Gerne verwendet wird übrigens geräucherter Paprika (Pimenton de la Vera) und hier und da auch etwas, das als "Liquid Smoke" bezeichnet wird. Klingt jedenfalls total ungesund. Da beschleicht einem plötzlich das Gefühl, als würden die coolen Schreiber dieses Kochbuchs selbst ein bisschen das Fleisch vermissen und mit unlauteren Hilfsmitteln arbeiten.

Exotische Kombinationen

Trotzdem: Abgesehen davon gibt es viele Inspirationen für Snacks, Getränke und Geschmackskombinationen, die auszuprobieren, verführerisch erscheinen. Ananans-Guacomale zum Beispiel, Earl-Grey-Latte oder ein Dip aus Schwarzen Bohnen. Kräuter-Popcorn statt Käsekrainer: Warum eigentlich nicht? Wer nicht mit Haut und Haar in diese Art zu kochen hineinkippt, kann wenigstens hier und da vegane Vorspeisen oder Beilagen auftischen. Geiler Scheiß, das steht am Cover. (Karin Pollack, 27.6.2016)