Einsatzkräfte der Feuerwehr am Abend am 10.12.2015 nach einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Herxheim (Rheinland-Pfalz).

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Berlin – Die fremdenfeindlich motivierte Gewalt in Deutschland ist im vergangenen Jahr dramatisch gestiegen. Dem am Dienstag vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2015 (online noch nicht verfügbar) zufolge wurden allein 894 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte verübt – fünfmal so viele wie im Vorjahr. Rechtsextremes Gedankengut erreicht demnach zunehmend die Mitte der Gesellschaft, in Teilen der Bevölkerung gebe es eine "Akzeptanz von Gewalt und Militanz".

Auch linksextremistisch motivierte Gewaltdelikte nahmen dem Bericht zufolge deutlich zu. Die Zahl sei im Vergleich zu 2014 um fast zwei Drittel auf 1.608 gestiegen. Nahezu alle Gewaltdelikte hätten sich gegen die Polizei, gegen den Staat, seine Einrichtungen und Symbole gerichtet.

780 IS-Verdächtige

Ein weiterhin hohes Bedrohungspotenzial sieht der Verfassungsschutz bei gewaltbereiten Islamisten. Bis Ende 2015 lagen der Behörde Erkenntnisse zu mehr als 780 Verdächtigen vor, die nach Syrien und in den Irak gereist sind, um sich dort der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) und anderen islamistischen Gruppierungen anzuschließen. Die Ausreisedynamik in die Kampfgebiete sei zwar zurückgegangen, die Zahl der Gefährder allerdings "so hoch wie noch nie zuvor".

Insgesamt erfasste der Verfassungsschutz für das vergangenen Jahr 21.933 Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund. Darunter seien 1.408 Gewalttaten, ein Anstieg um 42,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der fremdenfeindlichen Gewalttaten verdoppelte sich fast von 512 auf 918.

Ziel rechter Gewalt sind den Angaben zufolge immer häufiger Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbewerber. Im Jahr 2014 wurden in diesem Bereich insgesamt 170 Straftaten verübt, davon 25 Gewalttaten. Im vergangenen Jahr verzeichnete der Verfassungsschutz 894 Straftaten, darunter 153 Gewaltdelikte gegen Flüchtlingsheime. Die Zahl rechtsextremistischer Brandanschläge stieg dabei von fünf auf 75.

Hetze im Internet

Der Verfassungsschutz beklagte in dem Bericht die "zunehmende Anschlussfähigkeit" des Rechtsextremismus zur Mitte der Gesellschaft. Vor dem Hintergrund der Ankunft von mehr als einer Million Flüchtlingen habe sich eine "Anti-Asyl-Agitation" entwickelt, die sich vor allem in "enthemmter Hetze im Internet" zeige.

"Zunächst rein virtuelle Gruppen festigen und radikalisieren sich im Internet, um später Aktionen in der Realwelt durchzuführen", heißt es in dem Bericht. Die Mehrzahl der Täter sei zuvor nicht in rechtsextremistischen Zusammenhängen in Erscheinung getreten.

Im Zuge der Flüchtlingskrise konnte die rechtsextremistische Szene laut Verfassungsschutz deutlich mehr Anhänger und Sympathisanten für ihre Kundgebungen mobilisieren als in den vergangenen Jahren. Im Jahr 2015 hätten insgesamt 95.200 Menschen an rechtsextremistischen oder maßgeblich von Rechtsextremisten gesteuerten Demonstrationen teilgenommen, fast fünfmal so viele wie im Vorjahr. Rund 80 Prozent aller rechtsextremistischen Demonstrationen befassten sich demnach mit den Themen Zuwanderung, Asyl und Flüchtlinge.

"Extremistische Szenen – ganz gleich welcher Ausrichtung – haben in Deutschland Zulauf", erklärte Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière. "Der Verfassungsschutz beobachtet nicht nur eine zunehmende Anhängerschaft, sondern zugleich auch einen Anstieg der Gewaltbereitschaft und Brutalität." (red, APA, AFP, 28.6.2016)