Wien – 90 Prozent des Vorhabens seien gut, meint die Sozialsprecherin der Grünen, Judith Schwentner, zur Ausbildungspflicht, die die Bundesregierung sich in ihrem Arbeitsprogramm vorgenommen hat und nach zweieinhalb Jahren nun dem Parlament vorlegt.

Aber eine Lücke gibt es – und diese Lücke ist das Pfand, an dem die Verfassungsmehrheit für das Reformprojekt hängt. Die Grünen wollen, dass die Ausbildungspflicht für alle jungen Menschen bis zum 18. Lebensjahr auch Flüchtlinge und Asylwerber betreffen soll – mehrheitlich würden diese sowieso im Land bleiben, und es wäre "kurzsichtig, die während des Verfahrens nicht einzubeziehen", meint Schwentner und beruft sich dabei auch auf AMS-Chef Johannes Kopf.

Ihre Abgeordnetenkollegin Birgit Schatz argumentiert im Gespräch mit dem STANDARD auch, dass es eine gesellschaftliche Verpflichtung gibt, junge Menschen, die sich erst kurz im Land befinden und sich womöglich sonst "anderswohin orientieren", auszubilden.

ÖVP zurückhaltend

An der SPÖ würde das nicht scheitern, heißt es aus dem Sozialministerium.

Die ÖVP zeigt allerdings deutliche Zurückhaltung. Sozialsprecher August Wöginger lobt zwar das von der Koalition bereits in den Regierungsverhandlungen entwickelte Ausbildungsprojekt insgesamt, weil 6,8 Prozent der Vierzehnjährigen (in absoluten Zahlen waren das zuletzt 6.275 Jugendliche) ihre Ausbildung abbrechen – und Menschen ohne Ausbildung ihr weiteres Leben lang auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen haben.

Wöginger hat aber beim Sozialausschuss am Dienstag bereits klargemacht, dass die von den Grünen für die notwendige Verfassungsmehrheit geforderte Einbeziehung von jungen Asylwerbern in die Ausbildungspflicht für ihn nicht infrage kommt.

Das Argument des schwarzen Sozialsprechers und geschäftsführenden ÖAAB-Chefs: Man dürfe keine "falschen Signale" an jene aussenden, die am Ende ihres Verfahrens vielleicht doch abgeschoben werden. Außerdem müsse zuerst die deutsche Sprache erlernt werden, damit ein Ausbildungsplatz Sinn mache.

Grünes Entgegenkommen

Die Grüne Schatz ist Wöginger am Donnerstag mit einem in diese Richtung gehenden Angebot entgegengekommen – sie will, dass junge Asylwerber Plätze in Deutschkursen (plus der Möglichkeit, zu solchen Kursen anzureisen) bekommen. Einigen müsste man sich bis Mittwoch, wenn die Ausbildungspflicht auf die Tagesordnung des Nationalrats kommt. Vorläufig aber verliefen die informellen Gespräche zur Zweidrittelmehrheit "sehr, sehr zäh".(Conrad Seidl, 30.6.2016)