Wien/Luxemburg – Mit einem Freispruch und zwei Schuldsprüchen ist der Strafprozess in der sogenannten Lux-Leaks-Affäre am Mittwoch in Luxemburg zu Ende gegangen. Der frühere Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungskanzlei von PwC, Antoine Deltour, erhielt eine zwölfmonatige Haftstrafe aufgebrummt. Diese wird allerdings auf Bewährung ausgesetzt. Hinzu kommt eine Geldbuße in Höhe von 1500 Euro.

Für schuldig befunden wurde auch ein Exkollege Deltours bei PwC, Raphaël Halet. Er bekam eine Strafe von neun Monaten auf Bewährung. Der Dritte im Bunde, der Journalist Antoine Perrin, wurde freigesprochen.

Deltour und seine Anhänger sprachen in einer ersten Reaktion auf den Richterspruch von einem justizpolitischen Skandal und kündigten eine Berufung an. Das Urteil sei als eine "Warnung" an künftige Whistleblower zu verstehen, hieß es in einer von den Anhängern Deltours verschickten Botschaft. Damit werde es künftig in Europa erheblich schwieriger, unrechtmäßige Machenschaften aufzudecken.

Mehrere Vorwürfe

Die Staatsanwaltschaft warf Deltour Diebstahl, Verletzung des Betriebs- und Berufsgeheimnisses, Einbruch in ein Informatiksystem sowie Geldwäsche vor. Sie hatte für den Hauptangeklagten zwölf Monate Haft gefordert.

Deltour ist französischer Staatsbürger. Nach seiner Ausbildung zum Bilanzbuchhalter nahm er einen Job bei PwC in Luxemburg an. Im Oktober 2010 lud er tausende Dokumente von den Servern seines Arbeitgebers herunter – die Anklage sprach von Material im Umfang von 45.000 Seiten. Mithilfe der Dokumente ließ sich belegen, wie 350 multinationale Konzerne über Jahre hinweg für dutzende Milliarden Euro an Gewinnen so gut wie keine Steuern zahlten. Die Luxemburger Steuerbehörde hatte Unternehmen massenhaft Vorsteuerbescheide ausgestellt. Mit diesen wurden Firmenkonstruktionen genehmigt, die den Konzernen dabei halfen, Steuern und Abgaben zu sparen. Die Vorgänge waren legal.

Die aggressiven Steuersparmodelle werden von Kritikern aber als moralisch verwerflich eingestuft, weil durch die Praktiken vielen Ländern Einnahmen im großen Stil entgangen sind. Neben Pepsi tauchten auch die Namen von Vodafone, Deutsche Bank und Eon in den PwC-Papieren auf.

Daten an Journalisten weitergegeben

Der Bilanzprüfer Deltour hatte die gestohlenen Daten zunächst dem französischen Aufdeckerjournalisten Edouard Perrin vom TV-Sender France 2 übergeben. Der Sender strahlte 2012 eine Dokumentation über die Vorgänge bei PwC aus. Für Perrins Rolle in der Affäre wurde auch ihm der Prozess gemacht. Der dritte Angeklagte soll ebenfalls Daten von PwC an Perrin übergeben haben.

Ins Rollen kam Lux-Leaks erst, als die Presse ein Gesicht zu der Affäre hatte. Die Steuerdeals fielen in die Amtszeit des luxemburgischen Premiers Jean-Claude Juncker. Im Herbst 2014 wurde er Chef der EU-Kommission. Das in Washington ansässige Journalistenkonsortium ICIJ, dem Zeitungen und TV-Sender weltweit angehören, publizierte daraufhin die Luxemburg-Akten in einem neuen Anlauf. Diesmal schlug die Affäre ein. Das EU-Parlament setzte einen Untersuchungsausschuss ein. Dabei wurden Vertreter jener Firmen geladen, die in den PwC-Dokumenten genannt wurden.

Die SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament, Evelyn Regner, die im Lux-Leaks-Ausschuss saß, bezeichnete das Urteil als "Blamage". "Es ist eine Schande, dass es zu diesem Prozess gekommen ist, und zeigt, dass etwas in unserem Rechtssystem falsch läuft. Das Gemeinwohl und nicht die Schädigung des Arbeitgebers stand bei den Angeklagten im Vordergrund." Der liberale Abgeordnete Michael Theurer aus Deutschland sagte, dass man es nur der Zivilcourage von Menschen wie Deltour zu verdanken habe, dass im EU-Parlament Druck gegen den unfairen Steuerwettbewerb von Staaten aufgebaut wurde. (András Szigetvari, 30.6.2016)