Das Tor öffnet sich, die lange Schlange von wartenden Autos kommt langsam in Bewegung. Alexandru fährt mit seinem Van zum Ordner vor, zahlt 25 Euro Standgebühr und bewegt sich langsam in Richtung seines ihm zugewiesenen Platzes. Es ist 5 Uhr früh, und es regnet leicht. "Die Wettervorhersage sieht in ein paar Stunden eine Besserung des Wetters, dann, wenn alle schon wach sind," sagt der gebürtige Rumäne. "In der Früh kommen die Sammler und Fachleute und kaufen die wertvollen Sachen ein, so was habe ich gar nicht," lacht er. Deswegen hat er auch keine Eile, seine Sachen auszupacken: "Ich muss aber trotzdem so früh kommen, um einen guten Platz zu ergattern."

Beste Plätze

Die Plätze auf dem knapp 50.000 Quadratmeter großen Gelände des Simmeringer Fußballvereins "Ostbahn XI" werden mehrheitlich nach dem Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" vergeben. Es gibt Plätze für mehr als 300 Aussteller. Um zwei Fußballfelder herum wird jeder Zentimeter genutzt und die Waren so positioniert, dass die besten den Kunden sofort ins Auge stechen. Alexandru hängt die angebotene Kleidung aufs Auto, am Rand des Tisches platziert er unterschiedlichen Krimskrams, und in der Mitte legt er einige Masken hin. "So stechen die Masken besser hervor", sagt der erfahrene Flohmarktaussteller.

Die besten Plätze befinden sich auf dem Parkplatz, neben der Kantine. Wer diese Plätze haben möchte, muss sehr früh aufstehen, am besten schon gegen vier Uhr auf den Einlass warten.

Doris verkauft seit 28 Jahren und "streitet gerne mit den Ausländern".
stajic

Verkaufen ohne Gewerbeschein

Alexandru stellt ein paar mal im Jahr auf dem Flohmarkt aus. Erlaubt ist es für Privatpersonen laut Gesetz nur dreimal im Jahr. Wer öfter verkaufen möchte, braucht einen Gewerbeschein. Oder wie es Alexandru macht: "Ein paar mal stehe ich da, ein paar mal meine Frau, ein paar mal mein erwachsener Sohn." Verboten ist das nicht. Karl-Heinz Kremser von der Wirtschaftskammer Wien erklärt: "Im Gesetz steht nicht, dass Familien nur dreimal im Jahr ohne Gewerbeberechtigung auf einem Flohmarkt verkaufen dürfen, das Gesetz spricht explizit von Einzelpersonen."

Durch diese Praxis ersparen sich Alexandru und manch andere Aussteller, ihre Tätigkeit gewerblich anzumelden und Steuern zu zahlen. "Es bleibt uns auch nichts anderes übrig. Es sind schwere Zeiten, wir brauchen jeden Cent", so Alexandru. Das Geschäft läuft heute nur schleppend. Bis neun Uhr regnet es, danach wagt sich die Sonne langsam hervor. "Das ist super, die meisten stehen gerade auf, und wenn sie sehen, dass das Wetter gut ist, dann werden sie auch kommen."

Aus Not

Der Ostbahner Flohmarkt ist einer der größeren in Wien und Umgebung. Er findet im Gegensatz zu den meisten anderen Flohmärkten nicht samstags und sonntags statt, sondern immer nur am letzten Wochentag. "Am Samstag haben wir als Fußballverein meistens Spielbetrieb, somit können wir nur am Sonntag einen Flohmarkt anbieten", sagt Bernhard Pfeiffer, Obmann der Roten Teufel, wie die Simmeringer Kicker auch genannt werden. Der Fußballverein ist auch der einzige Grund dafür, wieso es den Flohmarkt entlang des aufgelassenen Wiener Neustädter Kanals gibt.

"Auf unserem Platz spielen insgesamt 14 Mannschaften. Zehn Nachwuchsteams, eine Kampfmannschaft, die Reserve sowie zwei Mannschaften des Vereines FC Yellow Stars. Die Betriebskosten sind dadurch enorm hoch. Deswegen haben wir uns 1992 dazu entschieden, einen Flohmarkt zu starten, um die Kosten einigermaßen in den Griff zu bekommen", so Pfeiffer.

Anfänglich bestand der Markt aus zwei bis drei Ständen. Im Laufe der 24 Jahre seines Bestehens ist er aber immer größer geworden. "Bei Schönwetter kommen an manchen Sonntagen 7.000 und mehr Menschen hierher", sagt Pfeiffer.

Flohmarkt der Unterschicht

Eine von ihnen ist Cerena. Sie ist Mutter von drei Kindern und lebt in großer Armut: "Ohne der günstigen Ware auf dem Flohmarkt könnte ich nicht überleben", sagt sie. Sie kauft hier Kleidung für ihre Kinder und sich selbst, hält immer Ausschau nach günstigen elektronischen Geräten. "Eines meiner Kinder geht schon zur Schule. Sie braucht einen Computer, ich suche schon seit Wochen nach einem guten Angebot, hoffentlich finde ich heute etwas," sagt sie.

"In Wien gibt es unterschiedliche Flohmärkte mit unterschiedlichem Publikum", erklärt die Ausstellerin Alex. Während am Naschmarkt eher bürgerliche Besucher verkehren, kommen zum Ostbahner Flohmarkt eher Personen aus der Unterschicht und "deutlich mehr Migranten", meint sie.

"Ich habe heute meinen Keller ausgeräumt und hoffe, etwas davon loswerden zu können. Hätte ich exklusive Ware, würde ich wahrscheinlich am Naschmarkt ausstellen", sagt Leo, der heute zum ersten Mal hier ist. Seit der Regen aufgehört hat, konnte er schon viele Sachen verkaufen. "Man glaubt gar nicht, was die Leute alles kaufen, aber es freut mich, dass beide Seiten davon profitieren", so der Wiener.

Auch bei Alexandru läuft es mittlerweile besser. Er konnte schon drei Jacken und vier Masken verkaufen. "Hab ich doch gesagt, wenn das Wetter besser wird, kommen viele Menschen", zeigt er sich erfreut über den Besucherandrang. Mittlerweile ist es 13 Uhr, und das Gelände ist voll. Trotz anfänglichen Regens sind auch heute über 5.000 Besucher zum Ostbahner Flohmarkt gekommen.

"Mit den Ausländern streiten"

Die meisten von ihnen mussten an Doris und ihrem Stand vorbei. Das Verkaufen reizt diese Dame jedoch nicht so sehr, vielmehr liebt sie es zu zanken. "Sie ist hier, um mit den Ausländern zu streiten", sagt ihre Nachbarin schmunzelnd. Doris bejaht das. Auf die Frage nach dem Warum antwortet sie: "Die wollen die Sachen immer billiger haben, sie quälen einen, also quäle ich zurück." Am liebsten streitet sie mit türkischen Männern, denn sie sind, ihrer Meinung nach, es nicht gewohnt, dass eine Frau zurückredet. "Wir sind hier in Österreich, und da lass ich mir den Mund nicht verbieten", sagt Doris. In den "Streitpausen" verkauft sie ihre Altkleider, und nimmt gerade mal so viel ein, dass sie die Standgebühren begleichen kann.

Ein Grund dafür sei "das Überangebot auf dem Flohmarkt". Manche verkaufen dennoch mehr als sie. Etwa Alexandru, bis zum offiziellen Ende des Flohmarkts gegen 14 Uhr schafft er es, knapp 60 Euro einzunehmen: "35 Euro Gewinn, damit kann ich mir Lebensmittel für die Hälfte der Woche kaufen", sagt er glücklich.

Glücklich sind an diesem Tag viele, so auch Samuel. "Ich komme jede Woche hierher, meistens schau ich nur herum. Freue mich, wenn ich alte Freunde treffe. Heute habe ich mir aber zwei Hemden für den Sommer gekauft, um nur zwei Euro", freut er sich. (Siniša Puktalović, 30.6.2016)