Martin Kocher (42) wird neuer Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS).

Foto: Andy Urban

Ökonomen sind in der Öffentlichkeit in etwa so beliebt wie Politiker oder Banker. Möchte man einen Kritiker davon überzeugen, dass viele gar nicht so schlimm sind wie ihr Ruf, sollte man ihn mit Martin Kocher bekannt machen. Der designierte Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) verkörpert den Wandel, den die Wissenschaft in den vergangenen 15, 20 Jahren durchgemacht hat, wie kaum ein anderer.

Der 42-jährige Kocher, schlank, Glatze, Stoppelbart, ist Verhaltensökonom. Er versteckt sich nicht hinter Modellen, sondern stellt den Menschen in den Mittelpunkt seiner Arbeit. In der Krise wurde den Ökonomen nicht zu Unrecht vorgeworfen, die Märkte für viel zu vernünftig gehalten zu haben. Rationale Investoren könnten keine Probleme machen. Für Kocher menscheln die Märkte. Sorgen, Emotionen, Verlustängste und Bestätigung durch andere beeinflussen sie.

Vor Jahren hat Kocher ein Experiment mit hunderten Schülern in Tiroler Schulen durchgeführt. Er wollte wissen, wie sich ihr Verhalten mit dem Alter ändert.

Während sich Kinder mit acht, neun oder zehn Jahren noch stark daran stoßen, dass ein Schüler viel bekommt und der andere wenig, nimmt diese egalitäre Haltung mit dem Älterwerden ab.

In Ökonomenkreisen hat es Kocher trotz seiner Jugend bereits zu großer Bekanntheit gebracht, der heimischen Öffentlichkeit ist er bisher kaum ein Begriff. Das dürfte sich bald ändern. Als IHS-Chef gehört es zu seinem Job, die Politik zu loben und zu tadeln und für Medien eine Meinung zu allem zu haben. Er nennt sich selbst "ideologisch unpositioniert". Die meisten Ökonomen sehen sich als Liberale, er legt sich auch auf Nachfrage nicht fest.

Kocher ist seit acht Jahren an der Ludwig-Maximilians-Universität in München tätig. Er war dort auch Dekan der Volkswirtschaftlichen Fakultät. Seine Erfahrung in der Führung von Mitarbeitern wird er beim IHS brauchen, die Geldnöte haben in den vergangenen Jahren viel Unruhe in das Institut gebracht.

Der verheiratete Marathonläufer arbeitet viel, glaubt aber, kein Workaholic zu sein. Aufgewachsen ist er in Altenmarkt-Zauchensee bei Salzburg. Er ging nach Innsbruck, um zu studieren, war vor München an Unis in Göteborg, Amsterdam und Norwich. Bevor er mit 1. September seinen Job als IHS-Chef antritt, ist er noch einmal drei Wochen an der australischen Queensland University, wo er seit Jahren eine Gastprofessur hat. (Andreas Sator, 1.7.2016)