Bei Wassergymnastik werden Herz-Kreislauf-System und Muskulatur trainiert.

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Jeder kennt das Klischee aus dem Urlaubshotel, wo sich Senioren im Swimming Pool zu lauter Musik bei Aqua Fitness abstrampeln. Warum sich nicht mehr junge Sportler von Wassergymnastik angesprochen fühlen, verstehen Experten nicht: "Der Sport wird falsch eingeschätzt", glaubt Antje Meier, Aqua-Fitness-Trainerin bei John Harris in Wien.

Für Sportmediziner Josef Niebauer ist das eine "vertane Chance": "Bei Aqua Fitness kann man sich wunderbar verausgaben." Denn das Training kann je nach körperlicher Fitness unterschiedlich gestaltet werden – etwa, indem man sich schneller oder langsamer bewegt oder durch Trainingsgeräte den Wasserwiderstand erhöht. Das trainiert das Herz-Kreislauf-System und die Muskulatur.

"Das Wasser ist das wichtigste Trainingsgerät", erklärt Trainerin Meier. Und es macht den Sport extrem gelenkschonend, das Verletzungsrisiko ist gering. Denn der Körper wiegt im Wasser nur ein Drittel von dem, was er an Land wiegt.

Zwei Drittel des Beckens

Dienstags um punkt 19 Uhr wird in der Schwimmhalle bei John Harris am Wiener Margaretenplatz wummernde Musik aufgedreht. Die Schwimmer im Becken verstehen das Zeichen: Sie dürfen nun nur noch eine Schwimmbahn verwenden, zwei Drittel des Pools sind nun für Aqua Fitness reserviert. Dort tummeln sich heute – leider ganz dem Klischee entsprechend – hauptsächlich ältere Frauen und nur ein Mann.

Antje Meier positioniert sich am Beckenrand. Sie zeigt die Übungen draußen vor und geht dann auf und ab, um zu sehen, ob alle die Übungen richtig machen: "Die Bauchmuskeln anspannen", fordert sie dann zum Beispiel auf. "Und die Schulterblätter zusammenziehen." Das Aufwärmen besteht aus Joggen im Wasser und Übungen für die Arme. Um das Training effektiver zu machen, werden Handschuhe getragen, die sich wie Schwimmhäute um die Finger schließen und den Widerstand erhöhen. Übungen, die an Land einfach aussehen, werden im Wasser zur Herausforderung.

Nun trägt die Trainerin eine Kiste gefüllt mit sogenannten Aqua-Discs herbei – tellerartigen Geräte, die in den Händen gehalten werden. Auch hier ist das Ziel, den Wasserwiderstand bei Armübungen zu erhöhen. Und schließlich lautet die Aufgabe, sich mit den Discs im Wasser zu stabilisieren und beide Beine gleichzeitig nach vorne, auf die Seite und nach hinten zu hieven – ohne dazwischen den Boden zu berühren. Das lässt sich an Land wegen der Schwerkraft nicht so leicht vorzeigen. Meier legt sich kurzerhand auf eine der Liegen und erntet misstrauische Blicke von den Schwimmern, die auf ihrer Bahn auf- und abschwimmen.

Arzt konsultieren

Dann kommen knallbunte Schwimmnudeln zum Einsatz. Damit kann man sich gegenseitig durchs Wasser ziehen – was sich nicht so schwerelos anfühlt, wie es aussieht. Dann wird auf den Nudeln unter Wasser balanciert.

Auch Nichtschwimmer seien unter den Teilnehmern ihrer Kurse, erzählt Meier: "Es kommen immer wieder Menschen, die so ihre Angst vor dem Wasser bekämpfen wollen. Das ist natürlich eine Herausforderung." Allgemein rät sie Anfängern dazu, eine Teilnahme vorab mit ihrem Arzt abzuklären.

Das gilt besonders für Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen, betont Niebauer: "Wassertemperatur und – druck bedeuten einen höheren Stress für das Herz-Kreislauf-System." Für Gesunde sei dieser Stress aber positiv. Ein weiterer Vorteil von Wasser-Sportarten: Um die Körper-Kerntemperatur im Wasser zu halten, muss der Körper mehr Energie aufwenden – verbraucht also mehr Kalorien, zumindest ein bisschen, so Niebauer: "Man darf aber nicht glauben, man geht ins Wasser und nimmt ab."

Vielleicht aber in Kombination mit einer der zahlreichen Sportarten, die mittlerweile im Wasser angeboten werden: Aqua-Spinning – Radeln im Wasser also – zählt in New York zu den neuesten Trends. Und Aqua Zumba haben sogar schon heimische Bäder im Angebot.

Selbstbewusstsein steigt

Am Ende der Aqua-Fitness-Einheit wird im Wasser noch gedehnt – und dann noch einmal für fünf Minuten gejoggt und gekickt: "Es ist wichtig, dass man am Ende nicht kalt aus dem Wasser steigt", sagt Meier. Nach 45 Minuten ist das Training vorbei. Die Musik wird abgedreht, im Hallenbad kehrt Ruhe ein. Und die Schwimmer nehmen das Becken wieder in Besitz.

Für Trainerin Meier zählt bei Aqua Fitness auch das Gruppenerlebnis: Die meisten Teilnehmer kommen regelmäßig und kennen sich. "Man sieht eine Entwicklung bei jenen, die oft kommen", sagt Meier. "Die Menschen werden zuversichtlicher und selbstbewusster." (Franziska Zoidl, 17.7.2016)