Bratislava/Wien – In seiner Heimat Slowakei ist Robert Kaliňák derzeit Dreh- und Angelpunkt einer Korruptionsaffäre. In Österreich kam er vergangenes Jahr im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in die Schlagzeilen: Gemeinsam mit seiner damaligen Amtskollegin Johanna Mikl-Leitner vereinbarte der slowakische Innenminister die vorübergehende Unterbringung von 500 Asylwerbern aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen in Gabčíkovo, einer Kleinstadt im Südwesten der Slowakei. Quoten zur Aufteilung von Flüchtlingen in Europa lehnt Kaliňák jedoch entschieden ab, gegen einen entsprechenden Mehrheits beschluss der EU-Innen minister hat die Slowakei sogar geklagt.
In der Asylpolitik konnte Kaliňák stets auf die breite Unterstützung der slowakischen Bevölkerung zählen, in der aktuellen Korruptionscausa hat sich das Blatt jedoch gegen ihn gewendet: 49 Prozent fordern laut einer Umfrage seinen Rücktritt, nur 28 Prozent wollen, dass er bleibt. Der Vorwurf: Kaliňák soll für zu wenig Geld zu viele Anteile einer Firma gekauft und Ermittlungen gegen den Verkäufer wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung behindert haben. Der 45-Jährige bestreitet das, doch die bisher stets erfolglosen Misstrauensanträge gegen ihn und Premier Robert Fico stellen mittlerweile eine Belastung für die erst eine Woche alte slowakische EU-Ratspräsidentschaft dar.
Vom Studentenrestaurant in den Regierungssitz
Seine ersten politischen Sporen verdiente sich Kaliňák 1989 in den Tagen der Samtenen Revolution in der ehemaligen Tschechoslowakei. Damals begann er gerade sein Jusstudium und engagierte sich in der Studentenbewegung. Die Aufbruchsjahre danach nutzte er auch für unternehmerische Gehversuche: Er eröffnete ein Studentenrestaurant und gründete unter anderem einen Verlag und eine Druckerei.
Als Gründungsmitglied der linkspopulistischen Partei Smer wurde Kaliňák 2002 erstmals ins Parlament gewählt. Innenminister wurde er erstmals 2006 – mit nur 35 Jahren. Damit ist Kaliňák auch ein typischer Vertreter jener Generation mittel- und osteuropäischer Politiker, für die ein steiler Aufstieg in jungen Jahren nicht ungewöhnlich war. Nun aber droht dem Minister, dem auch in seiner Partei die Rolle des Kronprinzen lange Zeit gewiss war, ein ebenso steiler Abstieg. Nicht nur die Opposition im Parlament macht gegen den zweifachen Familienvater mobil. In slowakischen Städten wurde bereits mehrfach gegen ihn und eine drohende "Bananenrepublik" demonstriert. (Gerald Schubert, 6.7.2016)