Sehenswertes wie den Gezeitenstrom vor Bodø, Hauptstadt der norwegischen Provinz Nordland, sieht man aus tieffliegenden Propellermaschinen noch ein bisserl besser.

Foto: Monika Hippe

Der berühmte Kjerag in Lysefjorden, Norwegen ist ein beliebtes Ausflugsziel.

Foto: Getty Images/iStockphoto/espiegle

In den einsamen Regionen finden sich immer wieder private Fischerhütten – wie hier in der Nähe von Svolvaer, der größten Stadt der Inselgruppe der Lofoten.

Foto: APA/AFP/OLIVIER MORIN/OLIVIER MORIN

Blick vom Torghatten auf Bronnoysund auf die Schäreninseln, Helgeland, Nordnorwegen.

Foto: Monika Hippe

Ein Fischerboot verlässt ein Fjord in der Nähe von Svolvaer, Lofoten-Inselgruppe.

Foto: APA/AFP/OLIVIER MORIN/OLIVIER MORIN

Unter Getöse laufen die Propeller warm. Die Flugbegleiterin bittet noch schnell zwei Passagiere, sich auf die andere Seite zu setzen. "Wegen der Balance", erklärt Rita Lyngmo. Platzreservierungen gibt es nicht in der Maschine, die weniger Sitze hat als die meisten Busse. Das Flugzeug hebt pünktlich ab und fliegt tief, der Blick aus dem Fenster lohnt: Unten gleiten hunderte Schäreninseln mit weißsandigen Strandbuchten vorbei.

Lyngmo ist die einzige Flugbegleiterin an Bord, und das seit fast 30 Jahren. "Früher war es oft langweilig, jetzt ist mehr zu tun", sagt sie. Das Passagieraufkommen ist ein wenig gestiegen, weil im Norden Norwegens neue Arbeitsplätze in der Fischerei, der Ölindustrie und im Tourismus entstanden sind. Lyngmo muss sich beim Servieren der Getränke beeilen. Der Flug von Trondheim nach Rørvik dauert keine 20 Minuten.

Hurtigruten der Lüfte

Die Propellermaschinen von Widerøe sind so etwas wie die Hurtigruten der Lüfte. Während die Postschiffe Küstenorte mit allem Notwendigem versorgen, beliefert die älteste Fluggesellschaft Norwegens Dörfer in noch dünner besiedelten und schwer zugänglichen Gebieten wie der Ostfinnmark zwischen Nordkap und Kirkenes. Die Region ist so groß wie Dänemark, hat aber nur rund 75.000 Einwohner.

Früh morgens fliegen die Maschinen überhaupt ohne Passagiere. Auf den Sitzen finden kleine Container Platz, meist beladen mit Fisch, Blumen, Zeitungen und Medikamenten. Um die Auslastung im Sommer zu erhöhen, wurde für Urlauber das Explore-Norway-Ticket aufgelegt. Damit kann man zwei Wochen lang in einer gewählten Region oder in ganz Norwegen fliegen, so viel man will.

Der längste Flug dauert zwei Stunden, der Kürzeste von einem Fjordufer zum anderen nur sieben Minuten. Dabei muss man kein schlechtes Gewissen haben: Ein zusätzlicher Klimaschaden entsteht nicht, denn die Propellermaschinen müssen sowieso starten. Drei Viertel der Passagiere sind Pendler, die in die Arbeit fliegen, oder Patienten, die zum Arzt in die nächste Stadt wollen.

Lieblicher als die Lofoten

Vor der Küste von Helgeland liegen gefragte Ziele wie das Vega-Archipel südlich des Polarkreises, ein Paradies für Naturfreunde. Die Landschaft wirkt grüner und lieblicher als auf den Lofoten, die gut zwei Tagesreisen mit dem Schiff von dort entfernt sind. Vor der Küste erstreckt sich ein Mosaik aus 6500 Inseln und Schären, die seit 2004 zum Unesco-Welterbe gehören. Während die Männer früher zum Fischen hinaus fuhren, ruderten die Frauen mit Booten von Insel zu Insel, um die dort grasenden Kühe zu melken.

Die Landwirtschaft ist noch immer die wichtigste Einnahmequelle in Helgeland. Tourismus gibt es hier erst seit zehn Jahren, und das in sehr begrenztem Maße: Nur rund 6000 Urlauber kommen pro Jahr. Die meisten wollen wandern, fischen, Kanu fahren oder mit Fahrrad und Fähre eine Insel nach der anderen erkunden.

Auf Radfahrer ist man eingestellt. Das Programm "Fly and Bike" sorgt dafür, dass man direkt aus dem Flieger auf ein Fahrrad steigen kann. Das funktioniert zum Beispiel wunderbar rund um den Flughafen Rørvik auf der flachen Insel Vikna in Mittelnorwegen.

Gänsemarsch auf der Piste

Rørvik gehört zu den kleineren Flughäfen, meist reicht es, kurz vor dem Abflug einzuchecken. Natürlich kommt es bei den häufigen Wetterkapriolen auch einmal zu Verspätungen. Dann bleibt Zeit zum Plaudern mit Leuten wie Johann Olsen. Gemeinsam mit sechs Kollegen kümmert er sich um die Gepäck- und Personenkontrolle – häufiger aber repariert er Zäune, leert den Automaten für die Parkplatzgebühr oder er passt auf, dass keine Gänse über die Landebahn rennen, wenn ein Flieger kommt. "Das Gras direkt neben der Piste ist ihnen am liebsten", weiß er.

In Nordnorwegen lässt sich der Traum vom Fliegen häufiger erfüllen. Weil die Strecken kurz sind, starten die Flieger bis zu neun Mal täglich. Das kann keine große Airline bieten und lockt auch ausländische Piloten in die Einsamkeit Norwegens – etwa nach Bodø nördlich des Polarkreises.

In der Meerenge vor der Hauptstadt der Provinz Nordland entstehen bemerkenswerte Strudel – der stärkste Gezeitenstrom der Welt. Wenn die Wassermassen miteinander rangeln, gluckst und sprudelt es wie in einem Whirlpool, die Schaummuster bilden ein lebendiges Gemälde. Sie sind wie geschaffen für kunstsinnige Betrachter im Tiefflug. Monika Hippe, .7.2016)