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Journalisten verfolgen in der südsudanesischen Hauptstadt Juba eine Rede des Vizepräsidenten Riek Machar. Seine Rückkehr im April hätte das Ende des seit 2013 währenden Bürgerkrieges einleiten sollen.

Foto: Reuters

Juba/Wien – Nur wenige Monate lang war es ruhiger. Nun, ausgerechnet zum fünften Unabhängigkeitstag, wiederholen sich in Südsudans Hauptstadt Juba wieder traurige Rituale: Seit Freitag wächst die Anzahl der Toten wieder in die Hunderte, während beide Seiten – Anhänger von Präsident Salva Kiir und seines Stellvertreters Riek Machar – beteuern, von der Gewalt der jeweils anderen Seite überrascht worden zu sein. Vertreter der Regierung versichern derweil, die Lage sei vor Stunden noch angespannt gewesen, nun aber wieder ruhig – während Medien von neuen Explosionen und Gefechten berichten.

Dieses Spannungsfeld sorgte am Montagabend auch für Skepsis, als Salva Kiir im TV eine sofortige Waffenruhe im ganzen Land ausrief.

Was der Auslöser für den jüngsten Gewaltausbruch war, ließ sich auch am Montag noch nicht restlos klären. Meldungen zufolge soll es am Freitag zu einem Schusswechsel zwischen dem Salva Kiir getreuen Militär und Mitgliedern jener 1.300 Mann starken persönlichen Schutztruppe gekommen sein, die für die Sicherheit Riek Machars garantieren soll. Dabei müssten die Militärverbände eigentlich seit Monaten zusammenarbeiten: Ein von der internationalen Gemeinschaft und afrikanischen Nachbarn ausgehandelter Friedensplan hatte vorgesehen, dass Kiir und Machar zusammen eine Regierung führen, während gemeinsame Patrouillen ihrer Soldaten die Sicherheit ihrer jeweilen Anhänger garantieren. Doch die Patrouillen sind nie zustande gekommen – augenscheinlich war das Misstrauen nach drei Jahren Bürgerkrieg zu groß.

Bis zu 300.000 Tote

Der Krieg hat das ohnehin arme Land in einem Zustand des beinahe völligen Chaos hinterlassen. Das ist auch daran abzusehen, dass niemand genau sagen kann, wie viele Menschen ihm eigentlich bisher zum Opfer gefallen sind. Die Schätzungen gehen von jedenfalls mehreren Zehntausend aus. Sie reichen bis zu 300.000.

Zudem sind mehr als 2,5 Millionen Menschen auf der Flucht, weitere zehntausend sind in den vergangenen Tagen aus Juba in die als einigermaßen sicher geltenden Basen der Vereinten Nationen geflohen. Mehr als die Hälfte der rund elf Millionen Einwohner ist von einer Dürrekatastrophe betroffen, deren drohende Ausmaße Hilfsorganisationen jüngst als "ohnegleichen" beschrieben, weil Hilfe im Kriegsgebiet kaum möglich sei.

Angriff auf UN-Soldaten

Für das Ausmaß der Massaker, die in Berichten geschildert werden, lassen sich ebenfalls nur mit Mühe Vergleiche finden. Wie man eine Zusammenarbeit zwischen den großen Volksgruppen der Dinka und Nuer wieder herstellen kann, als deren Führer Kiir und Machar sich darstellen lassen, ist ohne Hilfe von außen schwer vorstellbar.

Diese zu finden dürfte sich aber zunehmend schwierig gestalten. Am Montag gab es laut örtlichen Medienberichten Angriffe auf UN-Friedenssoldaten. Mindestens zwei chinesische Blauhelme wurden dabei getötet. Welche der Kampfgruppen verantwortlich ist, war unklar.

Wenige Berichte gab es vorerst hingegen aus den anderen Landesteilen. Dort hatte sich im Bürgerkrieg die schlimmste Gewalt abgespielt. Und dort scheint die Lage auch noch schwerer kontrollierbar: Der Krieg hat eine Kaste lokaler Warlords hervorgebracht, die vom Konflikt profitieren.

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte bereits in der Nacht zum Montag das Wiederaufflammen des Krieges. Kiir und Machar seien nun aufgefordert, "ihr Möglichstes zu tun, um den Konflikt wieder zu beenden". Auch solle untersucht werden, ob es bei der neuen Gewalt zu Kriegsverbrechen gekommen ist. (Manuel Escher, 11.7.2016)