Bei der Bildung von Volksschulklassen können die ohnehin schon eklatanten Differenzen laut einer Studie sogar noch einmal verschärft werden, weil Kinder nach ihrem sozialen Status verteilt werden

Foto: Henkel

Wien – Die soziale Durchmischung in den Volksschulen ist in Österreich schlecht. Das liegt allerdings nicht nur an den unterschiedlichen Voraussetzungen wie der Wohngegend oder dem Schulprofil. Bei der Bildung von Volksschulklassen können die ohnehin schon eklatanten Differenzen laut einer Studie sogar noch einmal verschärft werden, weil Kinder nach ihrem sozialen Status verteilt werden.

Bei der Entscheidung über die Zusammensetzung der ersten Klassen "treten an verschiedenen Schulen unterschiedliche Kriterien in den Vordergrund" , schreiben Michael Sertl und Claudia Leditzky (beide Pädagogische Hochschule Wien) in einer aktuellen Studie, die sie in der Zeitschrift "Erziehung & Unterricht" veröffentlicht haben. Zwei Kriterien sind allerdings laut der Erhebung dominant: Ganz im Sinne der in Österreich vorgeschriebenen Koedukation bemühen sich Schulleiter um ein möglichst ausgewogenes Verhältnis von Burschen und Mädchen, das zweite wesentliche Kriterium ist aber bereits das Religionsbekenntnis.

Selbst wenn dadurch nur die Erstellung des Stundenplans erleichtert werden soll, führt die Aufteilung der Schüler nach ihrer Religion fast zwingend auch zu Klassen, in denen Kinder mit deutscher Muttersprache und einer gewissen Bildungsaffinität überrepräsentiert sind, während in anderen Klassen solche Schüler fehlen. An manchen untersuchten Schulen wurden sogar bewusst Kinder mit derselben Muttersprache in Klassen zusammengefasst, damit leichter Gruppen für den muttersprachlichen Unterricht gebildet werden können.

Es geht aber auch anders: So berichteten Schulleiter, dass sie Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache ganz bewusst möglichst gleichmäßig auf alle Klassen verteilen, um Ghettobildung vorzubeugen.

Konkurrenz- und Verdrängungseffekte

Ein weiterer Grund für fehlende soziale Durchmischung sind Schulen mit bestimmten Schwerpunkten wie Zweisprachigkeit oder speziellen pädagogischen Konzepten: Indem vor allem Eltern aus der bildungsbewussten Mittelschicht – und zwar auch aus anderen Schulsprengeln – dorthin drängen, kommt es zu Konkurrenz- und Verdrängungseffekten beim Wettbewerb um die wenigen Schulplätze an diesen Einrichtungen. Dasselbe passiert, wenn es an einer Schule Schwerpunkt- und Schulversuchsklassen gibt – auch hier kann sich die soziale Zusammensetzung auffallend von jener der anderen Klassen unterscheiden. Zu einer Homogenisierung können außerdem die – je nach Schulleitung mal mehr, mal weniger stark berücksichtigten – Wünsche der Eltern führen, dass ihr Kind dieselbe Klasse wie (Kindergarten-)Freunde besuchen soll.

Gleichzeitig geben in der Studie viele Schulleiter an, sich um eine "möglichst große Ausgewogenheit und Balance der Ungleichheiten" zu bemühen: So werden ehemalige Vorschüler in der Regel gleichmäßig auf die verschiedenen ersten Volksschulklassen verteilt; dasselbe gilt für Schüler, die im Aufnahmegespräch als "unkonzentriert", "noch nicht altersadäquat" oder "leistungsschwach" aufgefallen waren. "Trotz dieser Bemühungen auf Seiten der Schulleiterinnen/Schuleiter und des wohl mitbestimmenden Kollegiums kann nicht ganz verhindert werden, dass bei der Klassenbildung die unterschiedlichen Voraussetzungen, die schon zu eklatanten Differenzen zwischen den Schulstandorten führen (Wohngegend, Schulprofile, usw.) noch einmal verschärft werden." (APA, 12.7.2016)