Der awarenzeitliche Friedhof von Podersdorf am See.

Foto: Bendeguz Tobias/ Universität Innsbruck

Vor Beginn der Grabung wird der Humus vom Bagger abgetragen und der darunter liegende Boden freigelegt.

Foto: Michaela Binder/ÖAI/ÖAW

Anthropologie-Studentinnen der Universität Wien beim Putzen der ersten Gräber.

Foto: Michaela Binder/ÖAI/ÖAW

Freilegung eines Skeletts.

Foto: Bendeguz Tobias/ Universität Innsbruck

Bestattung eines Mannes mit Beigaben von Tierknochen, einem eisernen Messer und Elementen eines Reflexbogens.

Foto: Bendeguz Tobias/ Universität Innsbruck

Die aus Tierknochen, vermutlich Hirsch, gearbeiteten Griff- und Hebelarmteile eines Reflexbogens.

Foto: A. Blaikner/ Universität Innsbruck

Anfang Juli war es endlich wieder so weit, Computer gegen Kelle zu tauschen. Auf zur Grabung – im zwar etwas weniger exotischen, aber dafür nicht minder malerischen Podersdorf am See im Burgenland. Die Verhältnisse, die wie wir hier vorfinden, sind mit dem Sudan kaum zu vergleichen, auch wenn die Temperaturen und der andauernde Wind, der einem den Staub ins Gesicht bläst, einen doch teilweise an die Sahara denken lassen könnten. Anstelle von Pyramiden und in Fels gehauenen Grabkammern mit den Bestattungen zahlreicher Angehöriger von Familiengruppen gibt es hier einfache rechteckige bis ovale Gruben mit lediglich einem Skelett, oft nur einen Meter unter der Oberfläche. Die Unterbringung in Ferienwohnungen ist vergleichsweise luxuriös, und ein kaltes Bier statt schwachem, zuckersüßem Tee mit Milchpulver ist nach neun Stunden körperlicher Arbeit unter der pannonischen Sonne auch nicht zu verachten.

Gräber aus der Spätawarenzeit

Doch von Anfang an: 1974 wurden beim Tiefpflügen in einem Weingarten südlich der Gemeinde Podersdorf mehrere Gräber entdeckt, die aufgrund von Grabbeigaben in die Spätawarenzeit (8. Jahrhundert n. Chr.) datiert werden konnten. Das ursprüngliche Reitervolk der Awaren hat seine Wurzeln in Zentralasien. Zwischen dem 6. Jahrhundert und 9. Jahrhundert n. Chr. konnten sie ihr Herrschaftsgebiet im Karpatenbecken aufbauen.

Besondere Beachtung erhielten sie von den byzantinischen Chronisten, als sie in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts zur Bedrohung des Byzantinischen Reichs wurden und 626 vor den Toren Konstantinopels standen. Nach der missglückten Belagerung der Hauptstadt wird es ruhig um die Awaren. Mit den sogenannten Awarenkriegen Karls des Großen am Beginn des 9. Jahrhunderts geht schließlich ihr Reich für immer unter. Archäologisch sind die Awaren in Ostösterreich erst im 7. Jahrhundert überhaupt fassbar. Kennzeichnend sind in dieser Zeit die Gräberfelder mit vielen hundert Bestattungen, die in Reihen angelegt sind. Als Beispiele lassen sich die Gräberfelder von Bruckneudorf, Wien-Czokorgasse und Zillingtal anführen. Von ihren Siedlungen haben wir zumindest in Österreich kaum Spuren gefunden.

Die Awaren am Neusiedler See

Die wissenschaftliche Untersuchung des Gräberfelds von Podersdorf begann trotz seiner frühen Entdeckung erst im Sommer 2015. Ziel des Projekts, das von der Universität Innsbruck, der Gemeinde Podersdorf, der Kulturabteilung des Landes Burgenland und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften finanziert und gemeinsam mit dem Naturhistorischen Museum, dem Österreichischen Archäologischen Institut, der Universität Wien, dem Archäologischen Institut am Forschungszentrum für Humanwissenschaften der ungarischen Akademie der Wissenschaften und der Stadtarchäologie durchgeführt wird, ist die Untersuchung der Lebenswelt und der Lebensbedingungen in der Awarenzeit in Abhängigkeit von ihrem direkten Umfeld, insbesondere dem Neusiedler See. Dieses soll im Rahmen des Projekts durch archäologische, geomorphologische und archäobiologische Analysen rekonstruiert werden.

Vor der Grabung Prospektion

Um einen genaueren Eindruck von der Ausdehnung des Gräberfelds zu erhalten, wurde vor Beginn der Ausgrabungen 2015 eine Fläche von 69.000 Quadratmetern geomagnetisch prospektiert. Neben zahlreichen neuen Gräbern zeigten die Messdaten überraschenderweise auch Grundrisse mehrerer Gebäude im Umfeld der ersten Fundstelle. Von den entdeckten Gräbern konnten in der ersten, dreiwöchigen Kampagne 13 ausgegraben werden. Ein Großteil der Gräber wurde systematisch am Westende, im Oberkörperbereich, beraubt. Die Verteilung der Knochen in den Raubtrichtern deutet darauf hin, dass die Toten zumindest schon vollständig skelettiert waren, was in dem vorliegenden Boden zumindest zehn Jahre gedauert hätte. Obwohl kein genauer Zeitpunkt der Beraubung festgestellt werden kann, können wir davon ausgehen, dass die Gräber vor dem 12. Jahrhundert der Plünderung zum Opfer fielen.

Trotz der Beraubung wurden in fast allen Gräbern Grabbeigaben gefunden: eiserne und bronzene Schmuck- und Trachtgegenstände wie Ohrringe und Gürtelschnallen, aber auch ein kostbarer Goldohrring, der versehentlich im Raubschacht zurückblieb. Auch Waffen wie die aus Tierknochen gearbeiteten Hebelarm- und Griffteile von insgesamt drei Reflexbögen mit dazugehörigen dreiflügeligen Pfeilspitzen fanden sich als Beigaben in mehreren Bestattungen.

Tierknochen in den Gräbern

In allen Gräbern waren zudem auch Tierknochen, die von der Archäozoologin Konstantina Saliari am Naturhistorischen Museum in Wien bestimmt werden. Diese können als "Wegzehrung ins Jenseits" interpretiert werden. Die Verteilung der Tierarten lässt Rückschlüsse auf den Status der Verstorbenen in ihrem gesellschaftlichen Umfeld zu, denn diese entspricht der jeweiligen sozialen Stellung, dem Alter und Geschlecht. Beispielsweise finden sich in Podersdorf in den Frauen- und Kindergräbern fast immer die Knochen von Hühnern, die im Fußbereich deponiert wurden. Der häufige Fund von Beigaben von Knochen mit reichen Fleischpartien ganz junger Rinder spricht darüber hinaus für allgemein wohlhabende Verhältnisse.

Kaum Mangelerkrankungen

Die menschlichen Skelettreste aus dem Gräberfeld werden an der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums von Karin Wiltschke-Schrotta wissenschaftlich ausgewertet, um einen näheren Einblick in Gesundheitszustand und Lebensbedingungen der awarenzeitlichen Siedler in Podersdorf zu erhalten. Bei einer ersten Untersuchung konnten kaum pathologische Veränderungen oder Anzeichen von Mangelerkrankungen festgestellt werden. Das könnte auf eine allgemein gute Versorgungslage, möglicherweise bedingt durch die Nähe zum See, hindeuten. Andererseits fanden sich auffallend viele Kinder und Jugendliche unter den Bestatteten, was wiederum auf Infektionskrankheiten, die sich ja nicht zwangsläufig am Skelett niederschlagen müssen, hindeutet. Eine Möglichkeit wäre hier Malaria. In den sumpfigen Randgebieten des Neusiedler Sees war diese Krankheit zur Zeit der Awaren möglicherweise noch sehr häufig.

Lehrgrabung und Besuch

Neben dem wissenschaftlichen Aspekt dient die Grabung seit 2016 auch der Ausbildung von Studierenden der Anthropologie in Technik und Methodik der archäologischen Ausgrabung und der Dokumentation von menschlichen Überresten und Gräbern. Zwölf Studierende der Universität Wien lernen während der dreiwöchigen Grabung die Freilegung von Gräbern und Skeletten, die genaue Dokumentation der Funde und Befunde sowie den Umgang mit den Artefakten auf und nach der Grabung.

Die Ausgrabung in Podersdorf läuft noch bis zum 22. Juli und kann von Montag bis Freitag zwischen 8 und 17 Uhr besucht werden. Die genaue Position der Fundstelle kann im Touristenzentrum Podersdorf oder per E-Mail bei der Autorin erfragt werden. (Michaela Binder, Bendeguz Tobias, 14.7.2016)