Eigentlich wollen die Objekte des US-Künstlers Vincent Fecteau eher umkreist werden. Je nach Blickpunkt offenbaren sie völlig unterschiedliche Anmutungen und Facetten.

Foto: Hannes Böck

Wien – Eine Maus müsste man sein. Dann würden sich die Objekte Vincent Fecteaus, die in der Secession ausgestellt sind, sicher als endlose Abenteuerpuppenhäuser erweisen: mit geschwungenen, mehrstöckigen Höhlen, Durchgängen, Hügeln, Sprungbrettern, Plateaus. Ja, inszenierte jemand Star Trek mit Zwerghamstern neu und suchte dafür Modelle nie gesehener Architekturen, Fecteau wäre dessen Mann.

Als Mensch begnügt man sich damit, die höchst originellen Skulpturen des 1969 geborenen US-Amerikaners gedanklich zu erkunden, was keinesfalls weniger aufregend ist. Die entscheidende Idee hinter den Papiermachéobjekten ist, sich jeder Bedeutung zu entziehen.

Sie wollen an nichts aus der richtigen Welt erinnern und dieserart begriffliche Zuschreibungen verunmöglichen. Das heißt: Erblickte hier einer Bühnenbilder für Kleintier-Science-Fiction-Dramen, könnte leicht ein anderer daherkommen und sagen, diese Anschauung verrate mehr über den Betrachter als über die Objekte selbst. Tja.

Kleine Pointen

Der Versuch, etwas gänzlich Unvergleichbares, Referenzloses zu schaffen, die Koketterie mit dem "Es ist, was es ist", ist natürlich fast so alt wie die vom Abbildungsauftrag befreite moderne Kunst selbst. Mit dem Bildhauer Fecteau, dem vergangenen Sommer eine große Personale in der Kunsthalle Basel gewidmet war, hat die Secession indes einen sehr bemerkenswerten Vertreter solcher Kunstauffassung eingeladen. Das hat unter anderem damit zu tun, dass seine Objekte keinesfalls technisch-zufallsgeneriert oder beliebig wirken, sondern von einer intuitiven und auch gestischen Herangehensweise an die Nichtsinn-Erzeugung wissen.

Einzelne Abschnitte der Skulpturen, die Fecteau durch spontanes Hinzufügen oder Wegnehmen schuf, ohne jemals Schritte zurück zu tun, können nämlich durchaus weltliche Assoziationen erwecken: Immer wieder werden Geometrien angedeutet oder fühlt man sich an industriell gefertigte Teile aus dem Schiffs- oder Flugzeugbau erinnert. Manche der meist hochkant platzierten Objekte muten wie Variationen auf Reisetaschen oder die Kartonverpackungen von Flachbildfernsehern an. Hier und da finden sich Henkel oder Gegenstände wie eine Küchenpapierrolle oder eine Kordel, die der Künstler wie kleine Pointen anfügte.

Schauabenteuer

Allein: Während Fecteau den Blick über die annähernd einfarbigen Oberflächen lenkt, den Betrachter um seine Skulpturen herumschickt, die von allen Seiten neue Facetten preisgeben, lässt er die "Zeichen" sämtlicher gefundener Sprachen ineinanderfließen respektive aufeinanderprallen: Der zum Erkennen verführte Blick stolpert, wird – zu seinem großen Vergnügen – zuerst in die Irre und schließlich in die Absurdität geführt. Es ist dabei erstaunlich, wie viele Schauabenteuer in den nur zehn Objekten im Hauptraum der Secession komprimiert sind.

Für Papiermaché entschied sich Fecteau übrigens, weil das Material fast ausschließlich in der Kunst und im kreativen Gestalten Verwendung findet. Damit soll die Abgekoppeltheit seiner Arbeiten von der realen Welt betont werden. Subtile Irritation geht aber auch von den uneinordenbaren Abmessungen der Objekte aus. Überraschend die Normgröße, der sie dann eben doch folgen: Fecteau, einst in einem Blumengeschäft tätig, orientierte sich dafür an den Kisten, in denen Schnittblumen geliefert wurden. (Roman Gerold, 14.7.2016)