In der Nacht der Putschversuchs vergangene Woche demonstrierten rund 50 Menschen in Sarajevo ihre Unterstützung für den türkischen Präsidenten Erdoğan. Nicht nur die türkische Diaspora, sondern auch lokale Muslime nahmen an dem Protest teil.

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Sie versammelten sich noch in der Putschnacht beim Brunnen im osmanischen Teil von Sarajevo und skandierten: "Allahu akbar", um für Erdoğan zu demonstrieren. Mit von der Partie war die Parteijugend der islamisch-konservativen Partei SDA. Anders als in Mittel- und Westeuropa war es in Bosnien-Herzegowina nicht nur die türkische Diaspora, die sofort die türkischen Fahnen herausholte, sondern auch lokale Muslime. Auch in Noviz Pazar im südserbischen Sandschak. Recep Tayyip Erdoğan ist für viele Anhänger der SDA ein Held, er gilt als großer Muslim-Führer – und so inszeniert er sich auch regelmäßig bei seinen Besuchen in der Region.

Die Verehrung für den "Sultan vom Bosporus", wie er im neo-osmanischen Duktus genannt wird, liegt vor allem darin begründet, dass es keinen anderen charismatischen muslimischen Politiker in der Region gibt. Bakir Izetbegović, der Sohn des ersten Präsidenten von Bosnien-Herzegowina, der selbst im dreiköpfigen Staatspräsidium die Bosniaken vertritt, ist eine blasse Erscheinung. Er fällt nur mit seiner geradezu höfischen Untertänigkeit gegenüber Erdoğan auf, der regelmäßig nach Sarajevo kommt. Auf den Putschversuch reagierte Izetbegović mit folgenden Worten: "Ich möchte, dass mein Bruder Recep Tayyip Erdoğan und das türkische Volk wissen, dass sie die starke Unterstützung Bosnien-Herzegowinas haben."

Verbeugung vor der türkischen Flagge

Eigentlich ist es unlogisch, dass bei Veranstaltungen der SDA von Izetbegović regelmäßig die Fahnen eines anderen Staates geschwungen werden, doch die türkische Flagge taucht bei den Muslimen in Bosnien-Herzegowina immer öfter auf. Kürzlich, beim Gedenken des 21. Jahrestags des Massakers von Srebrenica, verbeugten sich dutzende Leute vor einer türkischen Fahne, die in die Wiese gelegt worden war. Bei der jährlichen Wallfahrt nach Ajvatovica wurden türkische Fähnchen verteilt, die von den Bosniaken eifrig gewachelt wurden. Türkische Folkloregruppen dominierten das Geschehen. Die Türkei wird als Mutterland, Schutzpatronin und Vorbild gepriesen. Was Putin für nationalistische Serben ist, ist Erdoğan für nationalistische Muslime.

Dabei spielt die Türkei politisch und wirtschaftlich keine große Rolle für die Region. Die größten Investoren in Bosnien-Herzegowina sind Serbien, Österreich, das Vereinigte Königreich und die Schweiz. Exportiert wird von Bosnien-Herzegowina aus vor allem nach Deutschland, Italien, Kroatien, Österreich und Slowenien. Importiert wird aus Kroatien, Deutschland, Serbien, Italien und China. Die Türkei kommt unter "ferner liefen". Ankara hat allerdings kürzlich Kredite über 50 Millionen Euro für die bosnische Landwirtschaft – für Himbeeranbau und Viehhaltung – zur Verfügung gestellt.

Beschützer der Balkanmuslime

Und die Türkei hat sich beim Wiederaufbau und Erhalt von osmanischen Baudenkmälern wie Brücken, Moscheen oder dem Hamam engagiert. Das ist öffentlich relativ gut sichtbar und prägt das Bild von einem Land, das sich um die Region "kümmert". Relevant sind auch die Beziehungen zwischen Erdoğan und Izetbegović, der sogar bei der Hochzeit von Erdoğans Tochter eingeladen war. Die Türkei unter Erdoğan inszeniert sich vor allem als "Beschützerin aller Balkanmuslime". Dies wird gerade von jenen liberalen Bosniern aber auch Albanern, die den autoritären Kurs der Türkei mit viel Misstrauen sehen, kritisch beäugt.

Interessant ist im Zusammenhang mit Erdoğans Kampf gegen den Prediger Fethullah Gülen, dass dieser auch auf dem Balkan Bildungseinrichtungen bauen ließ. Auf der Webseite von Gülen wird etwa auf eine Veranstaltung der International University of Sarajevo (IUS) hingewiesen, bei der es um "den idealen Menschen und die ideale Gesellschaft in den Vorstellungen von Prophet Muhammad" ging. In Sarajevo gibt es auch eine zweite türkische Universität, die Burch-Universität, die hauptsächlich von türkischen Studenten besucht wird, die an türkischen Universitäten keine Chance haben. Manche der Absolventen werden sofort für türkische Firmen – etwa im Baugewerbe – angeworben. Für die Bosnier bringt das Ganze wenig. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 20.7.2016)