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Gleich wird Martin Hinteregger einen Pass schlagen und in der Packing-Statistik weiter nach oben schießen. Der zukünftige Europameister Cristiano Ronaldo (rechts) kann nur hilflos zuschauen.

Foto: reuters/platiau

Nürnberg/Salzburg – Da schau her: Martin Hinteregger scheint in einer Statistik des deutschen Fachmagazins "Kicker" vom Montag über die Fußball-EM in Frankreich an dritter Stelle auf. Lediglich der Deutsche Toni Kroos (82) und Ungarns Linksverteidiger Tamas Kadar (76) hätten im Turnierverlauf pro 90 Minuten Einsatzzeit auf irgendeine Art – hauptsächlich in Form von Pässen – mehr Gegner überspielt.

Hinteregger kam auf 64 gegnerische Spieler, die er im Spielaufbau in seinen drei EM-Matches als ÖFB-Innenverteidiger im Schnitt überwand. "Packing" heißt das Zauberwort, dessen sich der "Kicker" auf Basis von Daten der deutschen Firma Impect bedient, hinter der Exprofi Stefan Reinartz (Bayer Leverkusen) und der noch aktive Jens Hegeler (Hertha BSC Berlin) stehen.

Beim Packing (vom englischen Begriff für "Meute" oder im weiteren Sinn "Gruppe") werden – vereinfacht gesagt – die gegnerischen Spieler addiert, die zwischen Ball und gegnerischem Tor mit Offensivaktionen wie Pässen und Dribblings überwunden werden, also jene, die – theoretisch – noch in der Lage wären, das eigene Tor zu verteidigen. Es geht also eher darum, wie viele Gegner durch eine Aktion aus dem Spiel genommen werden. Diese Kennzahl erlaube dann Schlüsse hinsichtlich der Trefferwahrscheinlichkeit.

So funktioniert's.
IMPECT

Packing gilt als neueste Variable in der Spielanalyse, die qualitative Kriterien bei der Bewertung der Leistung eines Spielers mehr in den Fokus rückt. Es wird nicht mehr allein die Summe der Zuspiele herangezogen, auch ihre Auswirkung auf das Spielgeschehen soll abgebildet werden. Effektive Passes können so analytisch von Alibiaktionen unterschieden werden. Leonardo Bonucci hat mit seiner brillanten Vorlage zum Führungstor bei Italiens 2:0-Sieg in der Gruppenphase gegen Belgien demnach auf einen Schlag alle zehn Spieler der Roten Teufel kaltgestellt. "Der gute Pass ging in der Datenflut einfach unter", sagt Reinartz in der "FAZ". In 86 Prozent der Fälle habe die im Packing erfolgreichere Mannschaft zumindest nicht verloren.

Um brauchbare Aufschlüsse zu gewinnen, muss aber auch hier ins Detail gegangen werden. Es macht etwa einen Unterschied, von welcher Position auf dem Feld aus welche Gegner (Stürmer, Mittelfeldspieler, Verteidiger) überwunden wurden. Im Gegenzug steigt die kollektive Qualität der Teamperformance, je besser es einer Mannschaft gelingt, das Ausmanövrieren der eigenen Spieler hintanzuhalten.

Durch weitere unabhängige Kennzahlen soll auch die Leistung weiterer Akteure anschaulich werden: etwa jene der Passempfänger (wie oft bietet sich dieser an, wie oft kann er den zugespielten Ball auch behaupten) sowie jener Spieler, die Gegner durch Ballgewinn aus dem Spiel nehmen beziehungsweise Mannschaftskollegen dadurch wieder ins Spiel bringen, da diese durch die erfolgreiche Balleroberung erneut als potenzielle Verteidiger wirksam werden können. (bausch, APA, 18.7.2016)